Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg
der Landschaft fast schmerzhaft grell sanierten Schlossmauern. Geharkte Wege führen auf das Refugium des ehemaligen Staatskanzlers Karl August von Hardenberg zu, nicht geradewegs, sondern im Bogen, als solle die Verbeugung des Menschen vor der Macht noch immer durch den Verlauf der Wege nachgezeichnet werden.
Schloss Lübbenau kaufte die Familie des Grafen W. F. zu Lynar zurück, einer der Hitlerattentäter. Das von Fürst Pückler und Karl Friedrich Schinkel entworfene Gebäude wurde so aufwendig und sorgsam restauriert, dass eine Hochzeit hier schon fast nicht mehr wahr zu sein scheint oder so wahr ist wie eine Hollywood-Hochzeit.
Höhenflüge
Das Hochzeitsflugzeug ist eine IL 62. Das Passagierflugzeug der Interflug steht in Originalausstattung auf einem Acker. Neben den Tragflächen wächst Wald. Mähdrescher kreisen in der Ferne, ein Habicht steigt auf. Wie ein großes, grasendes Tier steht das Flugzeug auf demselben Hügel, von dem aus Otto Lilienthal seine Flugversuche startete. Der Gollenberg bei Stölln bot die besten Windverhältnisse. Immer wieder sprang der Flugpionier mit einem schwanengleichen Apparat um den Bauch in die Tiefe. Nachdem sich die Einheimischen das eine Weile angesehen hatten, sollen sie zu dem lebenspraktischen Schluss gekommen sein: »Der soll nicht oben in der Luft pflügen, der soll unten arbeiten!« 1896 tat Lilienthal ihnen den Gefallen. Er verunglückte tödlich. Bevor die Fluggesellschaft Interflug nach der Wende auch für immer verunglückte, kam man dort auf den Gedanken, eine ausgemusterte russische Passagiermaschine auf Lilienthals Hügel zu landen. In einem gewagten Manöver steuerte ein Interflug-Pilot die Iljuschin im Oktober 1989 auf den Acker am Gollenberg. Jetzt bemüht sich ein Verein darum, das Erbe Lilienthals und das Erbe der Interflug miteinander in Einklang zu bringen, weshalb die Iljuschin heute den gar nicht russischen Namen »Lady Agnes« trägt. So hieß Lilienthals Frau.
Bis dass der Tod euch scheidet
Wo es Hochzeiten gibt, gibt es auch Todesfälle, und wo man sich atheistisch verheiratet, stirbt man nicht unbedingt christlich. So kommt es, dass der Beruf des freischaffenden Grabredners sehr verbreitet ist. Während das Religiöse in Sachsen oder Thüringen nach der Wende erneut aufflammte, von milder Hügellandschaft, erzgebirgischer Kerzengemütlichkeit und einer langen bürgerlichen Tradition wohlig beschleunigt, lässt sich der zähe und widerständige Geist der Brandenburger nicht so schnell wieder auf jenseitige Erlösungsversprechen ein. Für einen Großteil der verstorbenen brandenburgischen Bevölkerung entwirft die Grabrednerin eine säkularisierte Gedenkrede. Der Knackpunkt jeder Rede besteht darin, trotz Abwesenheit eines Jenseits Hoffnung und Trost zu verbreiten. Ohne Trost kommt auch der beinharte atheistische Hinterbliebene nicht aus. Nun ist neben dem Überirdischen auch die Redegewandtheit nicht unbedingt etwas, das den Brandenburgern in die Wiege gelegt wurde. Und so treiben die Trostreden manchmal merkwürdige Blüten, wie ich in einer kleinen Friedhofskapelle in Senftenberg hörte: »Nun ist dieses Leben vollendet. Und übrig sind zwei Zahlen, verbunden durch einen Strich.« Wer daraus Trost schöpft, hat gelernt, einiges auszuhalten.
Sauna und Tropen
am ende stehen/wieder nur wir selbst/noch da, mit einem guten, grossen/löffel in den händen
(Lutz Seiler)
Wenn Sie bis zu dieser Stelle im Buch gelangt sind, werden Sie sich vielleicht fragen, ob die Menschen dieses Landstrichs bei all ihrer Zähigkeit und Ausdauer nicht mal irgendwann abschlaffen. Und Sie haben recht. Nichts anderes verbirgt sich hinter ihrem unerschütterlichen Badebedürfnis. Wetterbedingt können die Brandenburger diesem Bedürfnis nur knapp ein Viertel des Jahres im Freien nachgehen. Für die übrige Zeit gibt es überdachte Gewässer. Die Indoorgewässer unterteilen sich in Thermalbäder und Spaßbäder. In beiden geht es ums Gehenlassen. Der Auftrieb des salzhaltigen Wassers und die Endlosrutschen ins Spaßbecken ermöglichen jene Leichtigkeit, jenes schwebende, selbstentrückte Gefühl, die im Alltag nicht so leicht zu haben sind. Wollen Sie die Einheimischen also von ihrer besten oder von ihrer enthemmtesten Seite erleben, dann besuchen Sie ein Bad.
Bevor Sie sich auf den Weg machen, müssen Sie sich zunächst einiges überlegen. Vor allem sollten Sie darüber nachdenken, was Sie während des Badens noch tun wollen. Sie könnten zum Beispiel Sole
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