Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg
Liebenwerda, ebenfalls ein traditionsreiches Bad, soll Martin Luther nach dem aufsehenerregenden Anschlag der Thesen sein erhitztes Gemüt mit heilendem Moor und gesundem Wasser besänftigt haben. Mit kosmopolitschem Flair tat man sich allerdings hier wie da schon immer schwer. Theodor Fontane stellt in seinen Wanderungen fest, dass im preußischen Kurfürstenbad Freienwalde »die Mark selbst zum Besuche bei sich« einkehre. Das heißt: Aus dem Ausland kam keiner der Kurgäste.
Durch Bad Saarow wehte immerhin kurzzeitig ein Hauch der großen weiten Welt. Im Kurpark am Nordufer des Scharmützelsees fanden sogar internationale Schachturniere statt. In den Zwanzigerjahren erholte sich hier die Berliner Kunst- und Filmszene, Max Schmeling tanzte Swing, Ernst Lubitsch und Maxim Gorki flanierten. Durch den Anschluss ans Schienennetz war man dann innerhalb einer Stunde wieder in Berlin.
Buckow befindet sich am Schermützelsee, der einen flacheren Vokal hat als der Scharmützelsee, kleiner ist, nördlicher liegt und sich für Kneippkuren eignet. Seinen Spitznamen verdankt er einem alkoholhaltigen Getränk. Den Scherri zeichnet außerdem aus, dass Berthold Brecht durch die große Fensterfront seiner Eisernen Villa zu ihm hinaussah. Fünfundzwanzigtausend DDR-Mark soll Brecht für die Renovierung dieses kleinen Prachtbaus am Waldrand investiert haben. Das Gartenhaus, in dem der Dichter dachte und schrieb, ist allerdings aus braunem Billigholz, Marke Sozialismus, mit Teerpappe auf dem Dach. Auch im Bergschlösschen, einem Restaurant auf der anderen Seite von Buckow, hängt noch ein Hauch der alten Zeit. Am Tisch sitzen zwei Ehepaare, dem Aussehen nach Armee, Armee a. D. Die beiden Männer sprechen russisch und ausschließlich miteinander, die Frauen radebrechen auf Russisch und auf Deutsch. Die Einzige von allen, die sehr verständlich redet, ist die Tochter. Sie schwankt auf ihrem Stuhl vor und zurück, ein Kleinkind im Körper einer Frau, und sagt immerzu sehr laut: »Quatsch. So ein Quatsch. Alles Quatsch!«
P. S.: Nach Bad Belzig, seit 2009 staatlich anerkanntes Thermalsoleheilbad, kamen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die Lungenkranken. Im benachbarten Beelitz stehen noch die Gebäude einer Arbeiter-Lungen-Heilstätte, die einst für tausendzweihundert Patienten aus den Mietskasernen und Hinterhöfen Berlins ausgelegt war. Nach dem Zweiten Weltkrieg machte die Sowjetarmee aus dieser Anlage das größte Militärhospital außerhalb Russlands, in dem 1990 auch Erich Honecker, an Leberkrebs erkrankt, zeitweilig Zuflucht fand. Der größte Teil der Beelitz Heilstätten gehört heute zu den großen Ruinen im Land, die von der Natur langsam zurückerobert werden.
Lausitzer Karnickelsand
Überall tiefer Sand und nirgends ein auffallender oder angenehmer Gegenstand für die Augen.
(N. M. Karamsin)
Wenn die Leute sagen, sie fahren nach Brandenburg, dann meinen sie den nördlichen, also den märkischen Teil. Bücher über Brandenburg besingen meistens die Mark. Schon die Tatsache, dass der Spreewald ebenfalls zu diesem Bundesland gehört, sorgt für Erstaunen. Und dass auch südlich des Spreewalds noch etwas kommt, scheint selbst die Brandenburger manchmal zu überraschen. »Tagebaue? Die sind doch in Sachsen«, bekam ich zu hören, wenn ich von meinem Vorhaben sprach, in die Bergbaulandschaften zu fahren. Oder auch: »Was willste denn da? Ist doch alles nur Sand und Grube!« Mir wurde dringend geraten, einen Helm zu tragen und die ältesten Klamotten anzuziehen. Klettwitz, Bronkow, Jänschwalde, das ist schon der dunkle, staubige Rand, der Abyss von Brandenburg. Die Luft ist schlecht und die Landschaft verschandelt, Wölfe ziehen durch Gespensterdörfer. Da sind die Häuser noch grauer, und die Sonne hat einen Stich ins Braune. Arbeitergegend. Unland. Braunkohlewüste. Wo genau sich das befindet, weiß niemand so recht. Irgendwo »da unten« eben. »Bitterfeld« fällt manchem ein, weil Bitterfeld der richtige Begriff für dieses Image ist, nur liegt die Stadt gar nicht in Brandenburg.
Auch die Menschen, die in dieser Gegend leben (und es gibt sie), scheinen etwas orientierungslos. Meine Kusine wohnt in einem Einfamilienhaus in einem Dorf mit Schlösschen und Kirche (auch das gibt es dort) und einem »Haarsaloon«. »Hier wird scharf geschnitten!« warnt ein Schild im Schaufenster. Das Dorf liegt zwischen dem Tagebau Welzow und einem Quarz-Sandwerk. Als ich ihr erzählte, dass in einem anderen Tagebaugebiet, in Lakoma,
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