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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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unten wie zum damaligen Wirtschaftsminister der großen Koalition im Land, Dieter Spöri.
    Dabei ging es selbstredend um die Grundzüge der Politik, aber so nebenbei auch um Posten und Pöstchen, es wurde geschachert, gegeben und genommen. Diese Rituale sind bis heute nicht ausgestorben: Treffen in einem typisch schwäbischen Restaurant mit Maultaschen in der Brühe, geschmälzt oder mit Ei gebraten, immer mit Kartoffelsalat. Es waren gutbürgerliche Lokale, in denen schwäbische Wirte zuweilen mit großem Ernst darum baten, nichts Gutes über sie zu sagen, sonst kämen nur noch mehr Leute. Da fühlte man sich wohl und gut aufgehoben. Da gab man sich bescheiden, pflegte das Netzwerk, tat sich im Prinzip nicht weh, wenn nicht gerade so ein Mißgeschick wie die Parteispendenaffäre dazwischenkam.
    Im Prinzip hat sich daran wenig geändert, nur daß Erwin Teufel und sein von ihm wenig geschätzter Nachfolger Günther Oettinger dezenter und geschickter das Strippenspiel hinter den Kulissen betrieben haben oder betreiben. Gewarnt waren sie vor allem durch Manfred Zachs Beststeller »Monrepos oder Die Kälte der Macht«. Da hat sich doch Späths einstiger Regierungssprecher darangemacht, den Umgang in der Staatskanzlei Villa Reitzenstein (»Monrepos«) zu beschreiben, die Affären lückenlos zu schildern und die Ignoranz der Mächtigen bloßzustellen. Zitat: »Ausgerechnet jetzt, da knallhartes Politikmanagement gefordert war, wich Oskar Specht (so hieß Späth in dem Schlüsselroman) in die wärmende Gemütlichkeit eines familiären Sonntagskaffees aus.«
    Das literarische Werk barg Zündstoff Es war klar, daß alle Späth-Nachfolger besser aufzupassen hatten. Die verschiedenen Maultaschen-Connections funktionierten trotzdem. Vor allem überlebte eines: die Netzwerkpflege beim Maultaschen-Essen. Sollte diese Delikatesse aus Gehacktem mit Geheimgewürzen, eingerollt in Nudelteig, einmal nicht zur Verfügung stehen, dann taten es auch Spätzle mit Rostbraten oder Schupfnudeln mit Kraut und Geschmortem. Denn der Schwabe ißt nicht unbedingt exotisch, aber auf jeden Fall gut und am liebsten heimisch. Auch für die Mächtigen in Politik und Wirtschaft gilt das Prinzip, daß der Bauer und Metzger nicht ißt, was er nicht kennt.
    Der Schwabe jedenfalls liebt den Ausgleich. Mag seine Schwertgosch auch anderes vermuten lassen – Konflikte scheut er wie der Teufel das Weihwasser. Der Konsens ist das Erfolgsrezept in einem Milieu volksstämmigen Patriotismus, den Eingeborene von Geburt an mitbekommen und Zugezogene schnell, da gewinnbringend, übernehmen. »Sie erleben mich fast als glühenden Patrioten«, frohlockte Erwin Teufels Adlatus in Berlin, Hans-Peter Repnik, »aber das Land ist beim Ranking überall vorne, sogar in Europa, es ist einfach ein besonderer Menschenschlag.«
    In der Tat sind mittelständische Familienunternehmen aus Ditzingen, Waiblingen, Heilbronn, Ravensburg, Friedrichshafen und Künzelsau Weltmarktführer. Auf eine von außen seltsam anmutende Weise trotzen sie der Globalisierung, unterlaufen sie beinahe mühelos und nisten sich in den größten Märkten der Welt gegen jede Billigkonkurrenz erfolgreich ein. Sie zahlen die höchsten Löhne und genießen einen angemessenen Lebensstandard, aber sie sind auch fleißiger, geschickter, erfindungsreicher und in der Regel schneller als die anderen. Und sie helfen sich über alle Gegensätze hinweg – so wie Franz Steinkühler sogar Lothar Späth. Ohne den IG-Metall-Freund, wurde gemunkelt, wäre Späth als ehemaliger Neue-Heimat-Manager im Skandal des gewerkschaftseigenen Wohnungsbaukonzerns wohl untergegangen.
Gutes Essen als Schmiermittel
    Selbst die Grünen haben ihren Frieden mit der korporativen Denkstruktur gemacht. Die erste schwarz-grüne Koalitionsidee tauchte ausgerechnet im Südwesten auf, im Land von Rezzo Schlauch und Fritz Kuhn. Galt diese Idee zunächst im Rest der Republik als geradezu unanständige Verirrung, so stieß sie im Schwabenland durchaus auf Wohlwollen. Ministerpräsident Oettinger wurde nach den letzten Wahlen von seiner CDU-Landtagsfraktion an einer solchen Verbindung gerade noch gehindert, doch er selbst hätte das Experiment wohl gewagt. Auffallend war auch, daß ausgerechnet in der Stadt von Daimler und Porsche der Grüne Rezzo Schlauch bei einer früheren Oberbürgermeisterwahl mit 42 Prozent nur knapp seinem CDU-Widerpart Wolfgang Schuster unterlegen war. Schlauch verkörpert auch heute noch den kulinarischen Bonvivant und

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