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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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wasserschluckenden Jura der rauhen Alb gar nicht zu reden. Das alles macht die Luft trocken und das schwäbische »Gürgele«, jenen empfindsamen, zwischen Mund und Speiseröhre installierten Körperteil, zur Wüste. Schon Dichter Ludwig Uhland hat erschreckt festgestellt: »Was ist das für ein durstig Jahr! / Die Kehle lechzt mir immerdar, / Die Leber dorrt mir ein. / Ich bin ein Fisch auf trocknem Sand, / Ich bin ein dürres Ackerland; / O schafft mir, schafft mir Wein!« Verschiedene Innereien mußten und müssen also regelmäßig benetzt, gelegentlich auch regelrecht abgelöscht werden.
    Fangen wir mit dem schlichtesten aller Löschmittel an: mit dem Gänsewein, dem Wasser. Aus zahlreichen Quellen sprudelt es aus dem Untergrund hervor, und die Brunnenorte reichen von Wildbad, Bad Teinach und Liebenzell im Schwarzwald bis nach Bad Urach und Bad Überkingen, von Ensingen im Stromberg über Ludwigsburg-Hoheneck und Bad Cannstatt bis nach Rietenau im Schwäbischen Wald. In manchen dieser Wässer badet man lieber, manche schluckt man auch – und egal ob eisenhaltig, magnesiumreich oder erdig-alkalischer Säuerling, die feuchte Materie dient angeblich dem Wohlergehen und der Gesundheit. Nur mißtrauische Menschen meinen, davon bekomme man Läuse in den Bauch.
    Nicht immer herrschte Überfluß an wässeriger Materie. Denn das Bemühen der Bauern, die Fruchtbarkeit ihrer Äcker und Wiesen durch den reichlichen Einsatz von Gülle und Mist zu fördern, machte mancherorts das Grundwasser zur Keimbombe. Kein Wunder, daß die Sterblichkeit bei Kindern und Alten früher im Sommer explodierte. Aber das ist vorbei. Grundwasser-Schutzgebiete, die Landes- und die Bodensee-Wasserversorgung bescheren inzwischen reines Wasser en masse.
    Das ist wichtig – nicht nur für die Brunnquellfreunde, für Babys und Sportler, sondern auch für die Weinliebhaber. Wie sollten sie sonst ihr Schorle mischen, diese Synthese aus Rebensaft und H2O? Nebenbei: Das Schorle ist seit ewigen Zeiten ein Neutrum – das Schorle also, und nicht »die Schoalä« oder, im verwegenen Plural, gar »die Schorlen«, wie uns Gelegenheitstrinker aus dem Norden glauben machen wollen. Das Wort ist von Schorle-Morle abgeleitet; so karikierten die Menschen den Trinkspruch ihrer früheren französischen Okkupanten: »Toujours l’amour«. Aber Obacht: daß in manchen Lokalitäten das »Schorle weiß« oder »Schorle rot« mit süßer Limonade hergestellt werden, ist eine Geschmacksverirrung. Das Schorle, jenes althergebrachte Rentner-Viertele, muß sauer sein. Nur so wirkt es gegen die Hitze, gegen den Durst – und gegen den Rausch.
Wein – räs, aber ehrlich
    So, jetzt sind wir doch, schneller als gedacht, beim Wein gelandet. Aber das ist im Württembergischen mit zehntausend Hektar Weinbergen ganz unvermeidlich. Ob Kenner immer und ausschließlich Württemberger trinken, ist noch die Frage. Aber seit römische Besatzer, frühe Missionare und die Zisterziensermönche den Rebensaft hof- und abendmahlsfähig gemacht haben, sind die Schwaben Weintrinker mit einem beachtlichen Jahreskonsum, der die Schluckspechte anderer Regionen erblassen läßt. Das Motto ist schlicht, aber treffend: »Wer bei uns keinen Wein trinkt, ist zu faul zum schlucken.« Und der zumindest in seiner Jugend recht trinkfreudige Friedrich Schiller fragte besorgt: »Ein Wirtemberger ohne Wein, kann der ein Wirtemberger sein?« Darauf reimt sich nur eine Antwort: nein.
    Die Rebensaftdiät hatte vor allem hygienische Vorteile. Der Alkohol hielt den Wein keimfrei, weshalb er, wenn im Sommer das Quellwasser trüb wurde, auch Kindern, natürlich verdünnt, als Durstlöscher und Beruhigungsmittel eingeflößt wurde. Ein kleines Räuschlein war allemal gesünder als Ruhr und Cholera. Außerdem bedeckten die Reben bergauf, bergab alle Hänge, wie schon Friedrich Hölderlin festgestellt hat: »Seliges Land! Kein Hügel in dir wächst ohne Weinstock.« Manchmal waren die Mengen des Rebensaftes beängstigend. Altfranzösische Gäste waren von den Stuttgarter Weinhängen so beeindruckt, daß sie schrieben: »Si on ne cueilloit à Stutgard les raisins, la ville iroit se noyer dans le vin.« Das wurde einst so übersetzt: »Wenn man zu Stuttgardt nicht einsamlete den Wein, so würde bald die Stadt im Wein ersäufet seyn.« In wasserarmen Jahren benutzten die Maurer Wein sogar, um ihren »Speis«, also den Mörtel, anzumachen. Der Rest mußte einfach getrunken werden, möglichst im Schoppenmaß, also

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