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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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gehabt. Merkle, ohnehin ein Freund leiser und bedächtiger Worte, schwieg zu allem. Das hatte nichts Gutes zu bedeuten.
Brisanter Aktenfund
    Ausgerechnet in diese spannungsgeladene Atmosphäre hinein platzte der brisante Aktenfund. Späth und sein ganzes Präsidium waren enttarnt. Ganz offensichtlich war der Ministerpräsident über die Parteispenden nicht ganz so uninformiert, wie er es immer dargestellt hatte. Das hatte Konsequenzen. Von nun an justierte das Schicksal die Stellhebel an Späths politischer Karriere neu.
    Sein Waterloo kam schneller, als ihm lieb sein konnte. Bei der Präsidiumswahl am Abend des 11. September 1989 auf dem legendären 37. Bundesparteitag der CDU in Bremen verfehlte Späth die für einen erneuten Einzug in das Gremium erforderliche Stimmenzahl der Delegierten – ein glatter Blattschuß. Vor dem Parteitag hatte der quirlige Schwaben-Hauptmann noch zum Angriff auf den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl geblasen, sich selbst als möglichen Kandidaten für den Parteivorsitz ins Spiel gebracht. Dann aber trat er, zur Überraschung seiner Entourage, die von Heiner Geißler und Rita Süssmuth unter Dampf gehalten wurde, nicht zur Gegenkandidatur an.
    Das war eine Schlappe, die das »Cleverle« nicht mehr weggesteckt hat; sein Nimbus war angekratzt. Er, der Fröhliche, Pfiffige, um eine Erklärung nie Verlegene, der bei politischen Debatten immer obenauf Schwimmende und beim Kirschkernwettspucken stets Siegreiche, war plötzlich verwundbar. Seine »Parteifreunde« hatten seine weiche Stelle identifiziert. Nicht mehr er war der Spielführer, er wurde zum Spielball anderer – und nun auch mächtigerer. Das Gesetz des Handelns war nicht mehr auf seiner Seite.
    Wiederum war es eine CDU-Präsidiumssitzung, die das Datum für seine Niederlage – allerdings die entscheidende – setzte. Am 13. Januar 1991 veranstaltete der CDU-Landesverband in Isny im württembergischen Allgäu ein Stelldichein, und danach gab Lothar Späth seinen Rücktritt als Ministerpräsident bekannt. Die sogenannte »Traumschiffaffäre« beendete seine zwölfjährige Cheftätigkeit im Unternehmen Baden-Württemberg. Es blieb den Medien vorbehalten zu spekulieren, ob Lothar Späth ohne den Parteispendenprozeß gegen honorige Wirtschaftsführer des Landes und sein beharrliches Schweigen gegenüber den Betroffenen, »möglicherweise die Segeltörn-Affäre unbeschadet überstanden hätte« (»Frankfurter Allgemeine Zeitung«).
    Das ist der Stoff, aus dem Politkrimis gestrickt werden. Das Gerücht ist bis zum heutigen Tag nicht verstummt, daß »Gottvater« Merkle hinter den Kulissen die Strippen zog, um Späth zu stürzen. Hatte er Dossiers, die Informationen über die vom schwäbischen Reiseunternehmen Hetzel organisierten und bezahlten Reisen – angeblich sogar »Lustreisen« – enthielten? Wußte Merkle, wer »Lothar Schwab« war, wie sich Späth in den Hetzel-Hotels und auf Kreuzfahrtschiffen anmeldete? Und hat Merkle diese »heiße Ware« tatsächlich über Mittelsmänner der Presse zugespielt?
    Nie wurde das aufgeklärt, aber zugetraut hat man es Merkle schon. Klar war nur, die Verbindung Späth-Merkle-Eberspächer war gekappt. Maultaschen pflegten die Herrschaften ab sofort nur noch mit anderen zu essen.
Um Posten und Pöstchen
    Die Maultaschen-Connection war keine mediale Erfindung. Es ging dabei um kurze Drähte innerhalb der Politik, also zwischen Späth, dem Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel (»dem Wüstenfuchs sei Kloiner«) und Regierungspräsident Manfred Bulling; es ging um Verbindungen in der Wirtschaft, wie zwischen Arbeitgeberpräsident Heinz Dürr und IG-Metall-Chef Franz Steinkühler, oder um Kontakte zwischen Wirtschaft und Politik. Daran Teil hatten Sägenhersteller und DIHT-Präsident Hans Peter Stihl und Späth-Nachfolger Erwin Teufel, der SEL-Chef (und danach in Konstanz einsitzende) Helmut Lohr, Finanz- und Kultusminister sowie VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und auch die Daimler-Chefs Werner Breitschwerdt und Jürgen Schrempp. Alle hatten immer viel miteinander zu besprechen. Es ging um finanzielle Unterstützung von Prestigeobjekten und Sozialprojekten, um politische Unterstützung bei Wahlen von Oberbürgermeistern, Landräten und Landtagsabgeordneten. Selbst der zeitweilige Daimler-Regent Edzard Reuter, Sohn des ersten Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Ernst Reuter, hatte seine »Connection«: Er pflegte Kontakte in die SPD hinein, vor allem ganz nach oben, weniger nach

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