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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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erschaffen wurde. Es war nämlich so, daß der liebe Gott am siebten Schöpfungstag von seinem Landschaftsmaterial noch die schönsten Batzen übrig hatte und daraus, sozusagen im Freilauf, ein abwechslungsreiches Stück Erde schuf – mit Bergen und Tälern, Seen und Flüssen, Wäldern, Wiesen und ein paar besonders hübschen Misthaufen zur Dekoration.
    Ein Musterländle halt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel das Wort »Ländle« gern als rufschädigende Verkleinerung ausmerzen wollte. Und auch nichts, daß die Badener behaupten, die Schwaben seien ganz anders entstanden: Der liebe Gott habe auf dem Feldberg, mit Blickrichtung Rhein sitzend, lauter schöne Badener geschnitzt. Die mißratenen Exemplare habe er hinter sich geworfen, über den Schwarzwald hinüber ins Württembergische. So charmant sind sie halt, unsere badischen Freunde.
Migranten, wohin man blickt
    Wie die Schwaben wirklich zu den Schwaben wurden, darüber gibt es viele Theorien, weshalb wir es kurz machen wollen. Kaum war das Jurameer unter Hinterlassung zahlreicher Fossilien und Kalkberge abgeflossen, kaum hatten die Steinzeitväter und -mütter vom Homo steinheimensis (einer jungen Dame übrigens) bis zur alten Parre (einer streitbaren Uroma aus David Friedrich Weinlands Roman »Rulaman« aus dem Jahr 1876) das Zeitliche gesegnet, da besiedelten die Kelten das Land am mittleren Neckar. Weiter westwärts, jenseits des Rheins, hießen die Kelten Gallier und hatten als Asterix und Obelix ihren Spaß an Römerhatz und Wildschweinjagd. In den feuchten, manchmal nebeligen Neckarauen aber entwickelten sich diese Kelten zu nachdenklichen Leuten mit einem Hang zum Grübeln und Spintisieren. Kein Wunder, denn damals war es noch üblich, den Obergott Teutates mit Menschenopfern davon abzuhalten, den Himmel einstürzen zu lassen. Kein Keltenmensch war sich sicher, ob ihm die Druiden nicht mit ihren goldenen Sicheln zu Leibe rückten. Das, die dunklen Winter und die traurigen Lieder der Barden sorgten für eine trübe Stimmung. Und der Neckarwein als erlaubtes Seelendoping war noch nicht erfunden.
    Dieser Hang der Kelten zur Schwermut besserte sich nicht, als sie im ersten Jahrhundert nach Christi Geburt von römischen Legionen überrollt wurden. Und erst recht nicht, als die Besatzer sie hinter einer Art Mauer einsperrten, dem Limes. Dieser Grenzwall bot zwar einen gewissen Schutz vor den Bajuwaren und anderen Barbaren und ist deshalb inzwischen zum Weltkulturerbe befördert worden. Doch die nächste Überrumpelung inklusive Vermischung 200 Jahre später konnte er nicht verhindern. Damals nahten aus dem hohen Norden unrasierte, blond- und rothaarige Völkerschaften mit Kuhhörnern auf dem Kopf. Diese germanischen Invasoren stürmten aus den Frostregionen von Elbe und Ostsee herunter, den sonnigen Süden mit Seele und Speeren suchend. So scharf waren diese verfrorenen Gesellen auf ein paar Grad Wärme, daß sie unter Absingen von »Brüder zur Sonne, zum Strandbad« gleich bis zum Mittelmeer durchgebrochen wären, hätten sich ihnen nicht die längst aufgetürmten Alpen entgegengestellt. Ein paar schafften es bis zum Gardasee und begründeten damit die deutsche Sehnsucht nach dem Land, »wo die Zitronen blühn«. Leider trugen diese blauäugigen Besatzer keine Personalausweise bei sich, denen man ihre Nationalität hätte entnehmen können. Zwei Stammesnamen hielten sich: Sueben und Alemannen. Dieser kunterbunte Verein namens »Alle Männer« siedelte am Neckar, beiderseits des Rheins, im Schwarzwald und in der Schweiz, weshalb eigentlich alles, was im Südwesten seine Vorfahren hat – ob Schwaben, Badener, Schwyzer oder Elsässer – alemannischen Ursprungs ist. Wie sagte der Reichenauer Benediktinerabt Walahfrid Strabo schon im 9. Jahrhundert? »Alemannen oder Schwaben, die beiden Wörter bedeuten ein Volk …« Und dieses Volk sind wir.
    Doch leider blieb nicht genügend Zeit, die Namensfrage abschließend zu diskutieren. Kaum hatten die Alemannen keltisches und römisches Erbgut genetisch integriert, da nahten bereits die nächsten Okkupanten: die ebenfalls germanischen Franken. Sie führten das Christentum ein, nicht aber die Nächstenliebe. Unter einem Vorwand lockten sie die festesfrohen Alemannenführer in das alte römische Kastell Cannstatt – und brachten sie um. Feindliche Übernahme kann man das nennen. Dazu reichten Kraft und Mittel, nicht aber zur flächendeckenden Besiedlung der

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