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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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nicht die nötige Achtung erweist und sich durch unkontrolliertes Schlucken und unziemliches Reden zum Narren macht, zum Depp. Oder zum »Zertierer«, was aus dem Lateinischen stammt und Streithammel bedeutet. In diese Falle tappten, einem Biographen zufolge, die beiden französischen Dichter Paul Verlaine und Arthur Rimbaud, die ihre wechselnden Liebes- und Haßgefühle 1875 ausgerechnet in einer hiesigen Gaststube ertränken wollten. Beim Rotspon gerieten sie angeblich so in Hader, daß sie sich am Neckarufer prügelten. Schließlich soll Verlaine bewußtlos auf der Strecke geblieben sein. Ob vom Suff oder den Prügeln, ist unbekannt.
    Bescheidene Erwartungen setzte der Dichter und »Vortragskünstler« Joachim Ringelnatz auf die schwäbische Weinseligkeit. Als er Ende der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts im Stuttgarter Friedrichsbautheater gastierte, äußerte er sich eher abschätzig: »Ich kam von Düsseldorf, dort sah ich Radschläger, / ich kam nach Stuttgart, dort trank ich Steinhäger, / denn mit dem schwäbischen Wein / scheint mir nicht allzuviel los zu sein.« Doch bald fand er Gefallen an den lokalen Wein- und Bäckerstübchen, aber das dortige Publikum nicht gleich an ihm: »Setzte mich so ganz bescheiden hin / und vergaß auch nicht, sehr laut zu grüßen. / Dennoch ließen Blicke mich leicht büßen, / daß ich kein Stuttgarter bin.« Mit der Zeit gewöhnte man sich aneinander. Später trank Ringelnatz auf der Bühne immer erst ein Gläschen Württemberger, ehe er loslegte – und nahm später sogar als Souvenir ein paar Flaschen mit nach Hause.
Bier und Mooost? Prooost!
    Klar, zwischen Ulm und dem Schwarzwald wird nicht nur Wein getrunken, sondern auch Gerstensaft. Das hat seit den alten Germanenzeiten eine gewisse Tradition, auch wenn das Bierbrauen viele Jahre lang von der Obrigkeit verboten war, zum Schutz der Weinproduzenten. Doch dann schossen die Brauereien wie Pilze aus dem Boden. Selbst Stuttgart verfügte einst über vier große, eigenständige Marken: Dinkelacker, Hofbräu, Schwabenbräu und Wulle, dazu kam noch die kleine Spezialbrauerei Sanwald. Heute wird das Stuttgarter Bier meist von internationalen Konzernen gebraut. Auch viele kleine Brauereien draußen im Land haben sich, wie die Schaumkronen im Glas, verflüchtigt. Doch beim alljährlichen Cannstatter Volksfest und beim Stuttgarter Frühlingsfest fließt der Gerstensaft auf dem Neckarwasen in Strömen – auch wenn die Bayern behaupten, das Schwabenbier schmecke eher wie Eselsseich. Diese Überheblichkeit mußte mancher Münchener im Ländle schon bitter büßen. Das hiesige Gebräu hat nämlich einen höheren Alkoholgehalt als die durchschnittliche weißblaue Konkurrenz und fährt damit schneller in Knochen und Beine.
    Bier war hierzulande immer ein proletarisches Gut, immer die Nummer zwei auf der Getränkeliste, und manchmal sogar die Nummer drei hinter dem Wein – und dem Most. Der vergorene Apfel- und Birnensaft erfreute sich vor allem in solchen Regionen großer Beliebtheit, in denen das Wetter keine Trauben reifen läßt – im Strohgäu, im Heckengäu, im Filstal, auf der Schwäbischen Alb. »Maagscht Mooschd?« war weniger eine Frage als eine Gewissenprüfung, und der Saft diente als Alltagsgetränk, vom frühen Morgen über das Mittagsvesper draußen in Feld und Wald bis zum Abendessen. Ein Krug, ob aus Stein oder Zinn, war immer dabei. Selbst die Kinder bekamen, falls sie nicht von selbst einschliefen, ihren in Most getränkten Schnuller. Das war sogar die gesündere Alternative zum Mohnsäckchen, das ebenfalls gebräuchlich war. Allerdings: zu Mohnköpfen kam es selten, zu Mostköpfen häufiger – zu Leuten, deren Hirnkasten unter den Fuseldämpfen ein wenig gelitten hatte. Angeblich war dieser Defekt sogar erblich, was die Mostköpfe aller Provenienzen energisch bestritten. Einig sind sich Fachleute nur in einem: ein richtiger Mostrausch ist gefährlich und braucht drei Tage, bis er »versurrt« ist. Einzige Möglichkeit, diesen Prozeß zu beschleunigen, war das Eingraben des Beduselten in einen Misthaufen, bis zum Hals. Das half – und belastete den Etat der Krankenkassen nicht.
    Heute spielt der Most nur noch eine bescheidene Rolle im Getränkespektrum des Landes. Man sollte ihn jedenfalls dort, wo man ihn angeboten bekommt, unbedingt in Maßen probieren. Es gibt Qualitäten, die durchaus mit Sekt verglichen werden. Ein bekannter Mosterzeuger vom Rande der Schwäbischen Alb bekam Ärger, als er sein

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