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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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schwäbische Facharbeiter gilt als »volkswirtschaftlicher Idealtyp«.
    Will ein junger Schwabe werktags mit seiner neuen Freundin, die möglicherweise ihre Herkunft einem anderen Volksstamm verdankt, flanieren, so sollte er dies tunlichst in einer anderen Stadt tun oder im bayerischen oder hessischen Ausland. Händchenhaltend spazierengehen, Gänseblümchen pflücken oder heimlich Kirschen »mundrauben« bringt Schande über die ganze Sippschaft. Es kann durchaus sein, daß der junge Bursche von einem auf seinem Feld oder seiner Wiese arbeitenden Bauern provozierend gefragt wird, ob er denn nichts zu tun habe. Man gehe doch nicht einfach in der freien Natur spazieren und lasse den Herrgott einen guten Mann sein! Verständlich, daß in einem solchen Fall jede Verteidigung ins Leere läuft. Auch die vermeintlich korrekte Antwort, man habe sein Tagwerk schon verrichtet, stößt auf totale Ablehnung. Seine Arbeit hat man nie verrichtet. Wenn die eine fertig ist, bemüht man sich um die andere. Arbeit gibt es immer, man muß nur die Augen öffnen. Wer also defensiv argumentiert, bestätigt nur, daß er bestenfalls »das Geschäft« nicht sieht und schlimmstenfalls halt doch faul ist.
Zum Schaffen geboren
    Schwabe zu sein heißt also zunächst, zu arbeiten um des Arbeitern willen. Das muß nicht weiter erklärt werden, weil vielleicht nicht der Durchschnittsmensch, wohl aber der Schwabe und die Schwäbin zum Schaffen geboren wurden. Aus dem göttlichen Gebot: »Füllet die Erde und machet sie euch untertan« (Erstes Buch Mose, Kap. 1, Vers 28) mögen andere Kinderreichtum, koloniale und kriegerische Handlungen oder sonstige Torheiten herleiten, der Schwabe interpretiert diesen Auftrag als Aufforderung zur Arbeit. Allein daraus resultiert seine Tüchtigkeit, die längst weltberühmt ist wie die Kochkunst der Italiener, die Mode der Franzosen, die Uhrmacherkunst der Schweizer oder das Bierbrauen der Bayern. Die Tüchtigkeit der Schwaben ist klassenlos. Ob Unternehmer oder Facharbeiter, ob Handwerker oder Landwirt, ob Angestellter oder Tagelöhner – sie alle mehren die Erkenntnis, daß Wohlstand nur mit Fleiß zu erreichen sei, egal wie, aber eben mit Fleiß. Das hat manchmal groteske Folgen.
    Als Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts die IG Metall in Stuttgart eine große Demonstration für die 35-Stunden-Woche auf dem Schloßplatz organisierte, hatte sie mit Widerstand von unerwarteter Seite zu kämpfen. Ausgerechnet der mächtige Volksstamm der »Berber«, umgangssprachlich auch »Penner« genannt, mokierte sich, als die Ordner der Gewerkschaften die Passanten um Verständnis für ihre Demonstration baten und auch die vom Trollingergenuß angeheiterte Gesellschaft der Vaganten ermahnten, ihren angestammten Versammlungsort für einige Zeit zu räumen. Doch die Herrschaften, die ihre Lebensarbeitszeit mit dem Ende der Schulzeit beschlossen hatten, waren über die Demonstration empört. Einer ihrer Sprecher, angetan mit noch tragbarem, aber abgegriffenem Zwirn, maßregelte die Gewerkschaftsordner mit umwerfender Logik: »Die sollet schaffe ond net für die 35-Stunden-Woch’ demonstriere, die Faulenzer.« Wo käme man auch hin, wenn alle das Arbeiten aufgeben würden? Faulenzen können immer nur wenige, der Rest muß schaffen. Das haben im Schwäbischen die »Berber« und der übergroße Rest dieses Volksstammes nicht nur begriffen, sondern regelrecht verinnerlicht.
    Aus diesem Grundverständnis heraus paßt es durchaus ins Weltbild, am Wahltag die CDU zu wählen und bei der Betriebsratswahl die IG Metall. Wer sich darauf keinen Reim machen kann, dem sei die Dreiteilung des Lebens erläutert. Grundsätzlich arbeitet der Schwabe, und wenn er nicht arbeitet, schläft er. Die Arbeitszeit aber gliedert sich in eine betriebliche (dafür braucht er die IG Metall) und in eine außerbetriebliche (die wird von der konservativen Regierungspartei ordnungspolitisch geregelt). Im Klartext heißt das für den Schwaben: Gewerkschafter wie Steinkühler, Huber, Hofmann, Klemm und Hück sorgen dafür, daß sein Einkommen steigt. Ministerpräsidenten wie Späth, Teufel und Oettinger schaffen die Voraussetzungen, daß er sein Häusle bauen, den Schrebergarten bestellen, die Stallhasen großziehen oder – wer redet da von Schwarzarbeit? – dem Nachbarn beim Errichten des neuen Bungalows helfen kann. Braucht er dafür Zeit, so regelt das wieder die Gewerkschaft, auch wenn es die »Penner« stört. Doch sogar die »Berber«

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