Gebrauchsanweisung für Schwaben
wissen, daß ihnen nur betriebliche – und damit steuerlich relevante – Arbeitszeit zugute kommt, während das private Kartoffelpflanzen und
-ernten dem individuellen Wohlstand des »Nebenerwerbslandwirts« dient. Und von Kartoffeln halten die Jungs vom Stadtbrunnen ohnehin nicht viel.
Max Weber und die Folgen
Überhaupt glaubt der Schwabe fest daran, daß Arbeit nicht schändet. Die Spuren dafür reichen zurück bis zum Calvinismus, der sich, volksnäher ausgeprägt und auf die Region bezogen, im Pietismus verkörpert. Dieser fundamentalistische Einschlag der Protestanten – weit von Martin Luthers Lebensfreude entfernt – feiert nördlich der Schwäbischen Alb bis in den Vorschwarzwald und in die Weinbaugebiete Heilbronns hinein fröhliche Urständ. Kein Geringerer als der Philosoph Max Weber, der im kurpfälzisch-badischen Heidelberg lehrte, setzte dieser »Religion« ein geniales wissenschaftliches Denkmal: »Der Kapitalismus und der Geist der protestantischen Ethik« betitelte er sein Standardwerk und erläuterte darin, warum es gerade die pietistischen Schwaben wirtschaftlich zu Weltruhm gebracht hätten: Daimler, Bosch, Leibinger, Würth, Stihl, Eberspächer, Plattner, Voith, Freudenberg, Dürr, Merckle, Kärcher und wie sie alle heißen (selbst die Porsches und Piëchs, die zwar allesamt Österreicher sind, zum Teil aber in Stuttgart geboren wurden und wie Schwaben denken. Schließlich reichte Vorderösterreich einmal bis vor die Stadttore Tübingens).
Auch heute noch, im Zeitalter der Globalisierung, gilt die protestantische Ethik als Treibsatz für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes. Ja, es sieht gerade so aus, als ob diese Ethik wie geschaffen sei für eine grenzenlose Welt: Fleiß, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, all diese Tugenden werden heute den Chinesen und den Thailändern nachgesagt, nicht aber den Deutschen – mit Ausnahme der Schwaben. Der Schwabe, so scheint es, fürchtet sich vor nichts und schon gar nicht vor der Globalisierung. Wie ein Fels in der Brandung steht er da, liefert pünktlich gute Qualität zu gutem Preis und schert sich sonst um nichts.
Fleißig, gründlich, zuverlässig, demütig-bescheiden – ein Bündel aus geradezu vorbildlichen Tugenden, gleichzeitig eingebettet in eine Kultur, die solche Tugenden fördert: Es scheint, als ob den Schwaben nicht nur eigenartige, sondern auch einzigartige Merkmale auszeichnen. Der »Volkswirtschaftliche Idealtyp« beschränkt sich jedenfalls nicht nur auf den Arbeiter. Als »idealtypisch« gilt auch der schwäbische Unternehmer, der schon zu Zeiten über seinen Tellerrand hinausgeschaut hat, als der Begriff »Globalisierung« noch nicht erfunden war.
Der Schwabe ist, ohne Frage, auch weltoffen. Das zeigt sich nicht nur daran, daß der schwäbische Sprachsound in fast jeder Hotelbar zwischen São Paulo über Hongkong bis Singapur deutlich vernehmbar ist. Aber das ist nicht alles. Beherbergte nicht schon der Fabrikherr Robert Bosch (1861 bis 1942) die streitbare Sozialistin Clara Zetkin? Ließ er nicht vom Liberalen Theodor Heuss seine Memoiren schreiben? Hatte er nicht schon den Achtstundentag eingeführt, als seine Unternehmerkollegen noch der »Entfremdung« und »Ausbeutung« huldigten? Und dennoch: Für Bosch, Daimler und die industriellen Aufsteiger hat der württembergische Landtag sogar Bauern enteignet, weil sie ihren Acker nicht für Fabriken und Arbeiterwohnheime hergeben wollten. Sagen durfte man trotz der Weltoffenheit auch nicht alles. Legendär ist das Bonmot aus Arbeitermund: »Hätt’sch dei Gosch g’halte, dann hätt’ de dr Bosch b’halte.«
Shopping am Albtrauf
Ob es nun Unternehmungslust oder schierer Zufall war, läßt sich nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Für die Marketingstrategen ist sie jedenfalls auch ein Beispiel von Weltoffenheit – die Shopping-Stadt Metzingen am Fuße der Schwäbischen Alb. Idyllisch liegt sie zwischen der altehrwürdigen Universitätsstadt Tübingen und dem einstigen württembergischen Grafensitz Bad Urach. Von den letztgenannten Städten künden Landeshistorie und Geschichtsbücher zuhauf, von Metzingen – ohne der Stadt nahetreten zu wollen – wenig. Der Weinbau hat sie bekannt gemacht, aber nur in der Region. Die Vulkanberge am Albrand waren nicht nur fruchtbar, sondern hatten auch den richtigen Neigungswinkel, so daß die Sonne die Öchslegrade nach oben treiben konnte.
300 Hektar Weinberge waren es zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges, heute ist gerade
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