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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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Produkt aus feinen Champagner-Bratbirnen genau so nannte wie die Spratzelwasser-Barone aus Reims ihren Edelsprudel. Sogar die europäische Gerichtsbarkeit wurde bemüht – und natürlich obsiegten die Franzmänner. Doch der Nichtchampagner ist inzwischen dank der ausführlichen Prozeßberichterstattung so berühmt, daß man sich um den Absatz keine Sorgen machen muß.
Sekt aus vaterländischen Trauben
    Apropos Champagner: Was dem Landmann sein Most war, war dem städtischen Bürger sein Sekt. Wie? Sekt aus dem Schwäbischen? Aber ja. Das ist das Verdienst von Georg Christian von Kessler, einem gebürtigen Heilbronner, der im Jahr 1826 die erste deutsche Sektkellerei gründete – in der ehemaligen Freien Reichsstadt Esslingen. Schon als Jüngling hatte er Französisch gelernt und im Jahr 1807 seine kaufmännischen Fähigkeiten der berühmten Witwe Cliquot-Ponsardin in Reims angedient. Was er, der ausgebildete Textilfachmann, dort sah und lernte, setzte er später am Neckar um. Nein, er nannte seine prickelnden Getränke nicht Champagner oder Sekt, sondern bescheiden »moussierende Weine«. Deren Wohlgeschmack war nach Ansicht von Experten so überzeugend, »daß, wenn Herr Kessler fernerhin sich bemühet, solche Schaumweine aus den edlen vaterländischen Trauben zu bereiten, man der Auslandserzeugnisse wird füglich entrathen können.« Seither gehören die Marke Kessler und Esslingen für Sektfreunde zusammen wie Wein und Kohlensäureperlen, genauso wie die Konkurrenz von Rilling und Bad Cannstatt.
    So, jetzt noch ein Digestif gefällig? Der kommt direkt aus dem schwäbischen Teil des Schwarzwaldes und aus jenen Gegenden, wo Kirschen, Zwetschgen, Mirabellen, Birnen, Quitten und anderes Obst zu feinen Schnäpsen gebrannt werden. Sogar die Universität in Stuttgart-Hohenheim hat ihre eigene Brennerei – sorgfältig kontrolliert von Vater Staat, der eifersüchtig über das Brennmonopol wacht. Daß der eine oder andere Landsmann sogar einen lupenreinen Whisky brennt, ist in Ordnung. Die Schotten haben jedenfalls noch nicht mit dem Kadi gedroht. Dazu ist den sparsamen Single-Malt-Spezialisten vom River Spey das Risiko der Gerichtskosten viel zu hoch.
    Falls jetzt jemand wähnt, die Schwaben seien, ob genetisch oder durch Gewohnheit bedingt, allesamt Suchttrinker, dann muß diesem Verdacht mit allem zur Verfügung stehenden Ernst entgegengetreten werden. Das hat vorsorglich schon jener Wengerter geleistet, der sich die Warnungen eines Gesundheitsapostels vor dem Alkoholgenuß angehört und dann erwidert hatte: »Recht hend Se, was brauchet mir Alkohol, wo mir doch onsern Wei hend!«
    Jedenfalls, ob Trauben, Braugerste, Mostobst oder Schnapsfrüchte – das alles sind Gottesgaben, die man nicht »versaubeuteln« darf. Und als Menschen, die dem Alten wie dem Neuen Testament vertrauen, hielten sich die Nachkommen der Alemannen und Franken an Psalm 104, Vers 15: »… daß der Wein erfreue des Menschen Herz«. Außerdem half ein kleines Quantum Alkohol, die oft rabiate Willkür des Schreiber- und Beamtenstaates zu ertragen.
    Das gilt übrigens, angesichts mancher Regierungsverord-nungen, Behördenerlasse und Steuerbescheide, bis zum heutigen Tag.

Schwäbischer Fleiß:
Schaffa, Schaffa, Häusle baue
     
     
     
    Die Tüchtigkeit der Schwaben ist legendär. Eine Arbeitslosenquote, die – im Vergleich zu allen anderen Bundesländern – immer am niedrigsten ist. Eine Sparquote, die zu den höchsten zählt. Und Arbeitszeiten, die trotz aller Bemühungen, diese einzuschränken, Spitze sind.
    Überhaupt, den Kampf der Gewerkschaften um kürzere Arbeitszeiten hat man im Württembergischen nie verstanden. Das gilt selbst für die, die als Arbeiter bei Daimler, bei Bosch oder bei Porsche stramm gewerkschaftlich organisiert sind. Man hat den unsinnigen Kampf eben mitgemacht, die Idee aber muß anderswo hergekommen sein. Wenn schon eine Logik für die Arbeitszeitverkürzung herhalten mußte, dann die, daß weniger Zeit im Betrieb nichts anderes bedeuten könne als mehr Zeit im Garten, in der Heimwerkstatt, auf dem Feld, im Verein oder – ganz edel – im eigenen Weinberg. Weniger Arbeitszeit um zusätzlicher Freizeit willen, das entspräche nicht der Seelenlage des Schwaben. Schaffen ist für ihn ein konstitutives Element seines irdischen Daseins. Nichtstun aber ist Sünde, wenn es nicht gerade auf einen Sonntag fällt.
    Außerhalb der Landesgrenzen hat man für dieses Verhalten längst eine eigene Kategorie angelegt: Der

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