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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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nicht zur Hottwollee (Hautevolee) gehört, keine Fissimatenta, also keinen Blödsinn. Dieses Wort stammt von der anzüglichen Einladung französischer Soldaten an junge Schwäbinnen: »Visitez ma tente« – »Besuchen Sie mal mein Zelt.« Worauf die Dame die Flucht ergriff, kuttkekutt, koste es, was es wolle. Sie wollte ja nicht malad werden. Lieber pflanzte sie daheim Pa’seele, was der Plural von Pensée ist und Stiefmütterchen heißt. Und ihr Freund bot dem Franzmann Prügel an: »Voulez-vous da Ranza voll, avec mit a’ma Prügele?«
    Als weitere Fremdsprache pflegen Schwaben auch das Chinäbisch, jene berühmte Mischung aus Heimatklang und Ostasien. Das fängt mit einfachen Sätzen an wie: »Gang no, en Backnang scheind’scho lang d’Sonn schee.« Und das hört mit einer Menüempfehlung einer Stuttgarter Künstlerin noch lange nicht auf: »Fang a, heng d’Zong nei, lang glei zua, schieng dei Deng, zom Wei seng lang.« Wir werden uns hüten, das zu übersetzen. Die Chinesen wissen, was gemeint ist.
    Aber das ist er vielleicht auch so bald – wenn dem Schwäbischen die Luft ausgeht. Früher hieß es einmal, ein Schriftdeutsch sprechender Schwabe habe weder Heimat noch Charakter. O je, da laufen zur Zeit viele Heimatlose durch die Landschaft. Einheimische Politiker haben Baden-Württemberg inzwischen zum Feelgood-Country befördert. Wenn das so weitergeht, hat die Devise »I schwätz, wia mir der Schnabel g’wachsa isch« ausgedient. Eduard Mörikes wunderbares Gedicht braucht dann eine Übersetzung: »Uf’ am Kirchhof am Chor / blüeht a Blo-Holder-Strauß, / do fleugt a weiß Täuble, / vors taga tuat, aus.« Etwa so: »Auf dem Friedhof, nahe dem Chor des Gotteshauses, blüht ein blauer Holunderbusch. Daraus fliegt eine kleine, weiße Taube hervor, kurz vor Sonnenaufgang.« Nun ja, das würde keinen mehr zu Tränen rühren. Da lachen nur noch die Hühner. Nein: die Biberle, also die kleinen Hennen und ihr Gockeler, der alte, höpfelige Schlawiner. Höpfelig? Dafür hätte man einst »geil« gesagt. Aber dieses Adjektiv hat seine Bedeutung ja auch verändert.
    Deshalb schließen wir dieses Kapitel mit einem freundlichen »Adele«. Das klingt nur wie ein alter weiblicher Vorname, ist aber die Koseform von Ade. Und das wiederum stammt aus dem Französischen und bedeutet: Adieu.

Liberale Schwaben
     
     
     
    Es geht die Sage, in Deutsch-Südwest gehe es politisch ein wenig menschlicher, liberaler, entspannter zu. Allerdings nicht immer. Nehmen wir als Beispiel nur den Abgang des letzten Ministerpräsidenten. Die Art, wie der Amtswechsel inszeniert wurde, hat ihn zutiefst betroffen gemacht – und er hat es auch bei seinem Abschied gesagt: »Ich habe den Rücktritt aus meinem Amt als Ministerpräsident nicht angestoßen, aber ich nehme ihn an. Ich nehme ihn nicht an von denen, die ihn angestoßen haben, denn sie sind mir bis heute jede Begründung schuldig geblieben.«
    Erwin Teufel ist seit April 2005 nicht mehr Ministerpräsident von Baden-Württemberg, obwohl er es gern noch länger geblieben wäre, obwohl er gute Umfragequoten hatte und eigentlich nur Spitzenwerte für alle politischen und ökonomischen Parameter verbuchen konnte. Er weiß, daß er immer besser war als sein Ruf. Als die Laudatoren ihn beim Abschied in den Himmel hinein lobten, wußte er auch, daß Nachrufe immer noch besser sind als der beste Ruf.
    So war er, der Erwin Teufel, »einfacher Leute Kind«, wie er selbst sagte: kreuzkatholisch, manchmal ein bißchen bigott, aber immer geradlinig, ehrlich, den aufrechten Gang praktizierend. »Er kennt den Boden und pflegt ihn auf Gedeih und gegen Verderb. / Sensationen überläßt er sonstwem und zieht Arbeit vor. / Er läßt die Illusion zu, das Gute sei möglich.« Das schrieb ihm, in Gedichtform, Martin Walser, der große Schriftsteller vom Bodensee, zu seinem 60. Geburtstag. Teufel und Walser wußten es, sprachen aber das Urteil nicht aus, das die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« zu seinem Rücktritt fällte: »Königsmord«.
     
    Was hatte er, der es vom Rathauslehrling zum Ministerpräsidenten brachte, verbrochen? Wo hat er sich verrechnet? Was ist schiefgelaufen? Am Ende fokussierte sich die Wahrheits- und Motivsuche auf einen Punkt: Er hatte den aufstrebenden, ehrgeizigen jungen Leuten in seiner CDU nicht flott genug Platz gemacht.
Ohrfeige links und rechts
    Die Diskussion über den Fall nahm skurrile Züge an, manches erinnerte gar an schwäbisches Bauerntheater. Staatsminister

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