Gebrauchsanweisung für Schwaben
Christoph Palmer, einer der treuesten Paladine Teufels, ohrfeigte während einer Auseinandersetzung einen »Parteifreund« (»Lenks ond rechts an d’Backa na«) , der auf Teufels schnelle Demission gedrängt hatte. Der unkontrollierte Wutausbruch hatte dramatische Folgen. Palmers Politkarriere war schlagartig beendet. Aber auch er ging aufrecht aus dem Amt. Die FAZ artikulierte, was die Teufel-Fans den nach ihrer Ansicht illoyalen Verzichtsbefürwortern vorwarfen: »Man hätte diesen seltsamen Paradiesvögeln zurufen mögen: Ja, wißt ihr überhaupt, wie gut es euch geht?«
Teufel stilisierte seine Rolle als »Opfer eines Königsmords« am Ende, und er ließ keinen Zweifel daran, wen er für seine »Mörder« hielt. Palmer hat ihm dabei eher unfreiwillig geholfen. Seinen Backenstreich für den »Parteifreund« krönte er nämlich mit einem selbst für Schwaben nicht gerade feinen Schimpfwort. »Du Drecksau«, rief er dem Geprügelten hinterher, förmlich davongetragen von der Augenblickswallung.
Ach, wenn das alles einst bei Hofe passiert wäre, so hätte es durchaus für ein Shakespeare-Drama gereicht. So aber verdeckte die Mehlschwitze schwäbischer Biederkeit den dramaturgischen Kern dieses Abgangs und ließ die am Ende triumphierenden »Attentäter« einfach nur blaß erscheinen.
Aber kein Abgang ohne Aufstieg: Als Sieger vom Platz jedenfalls ging Günther Oettinger. Er hatte schon vorher, im CDU-internen Duell, Annette Schavan ausgestochen. Sie hatte, als der bisherige Amtsinhaber resignierte, ebenfalls seine Nachfolge angestrebt – mit Teufels Segen sogar, weil der die rheinische Katholikin lieber mochte als den schwäbischen Landsmann und Protestanten Oettinger. Am Ende war sie unterlegen und wurde von Parteifreundin Angela Merkel mit dem Bildungsministerium im Berliner Kabinett belohnt. Nach dem dramatischen Führungswechsel in Stuttgart war aber jedermann klar: Auch wenn der nicht mehr abwaschbare Vorwurf des »Königsmords« nur gehaucht, geflüstert oder gezischelt wurde, er blieb an einem hängen – an Günther Oettinger. Doch damit kann der neue Ministerpräsident leben; was mußte der Teufel auch so an seinem Amt kleben?
Die Jüngeren nervös gemacht?
Danach, spätestens bei der Landtagswahl 2006, zeigte sich eine typisch süddeutsche Versöhnlichkeit. Trotz des kruden Vorspiels bestätigten die Wähler dem darob erleichterten Oettinger, daß er nicht unbeliebter sei als Teufel, der inzwischen in München ein Philosophie-Studium aufgenommen hat. Da mag es eine Rolle spielen, daß der gebürtige Rottweiler Teufel auch nicht für jedermann den Idealtypus eines schwäbischen Landeschefs verkörperte. Die Protestanten taten sich jedenfalls mit ihm schon deshalb schwer, weil Teufel seinen Katholizismus demonstrativ zeigte. Das brachte ihm nicht unbedingt Freunde im eher evangelischen Norden des Landes ein, wohl aber in der katholischen Region zwischen Westalb, Südschwarzwald und Oberschwaben bis hinunter zum Bodensee. Die Laudatio auf den scheidenden Premier durfte denn auch Bodenseeanwohner Martin Walser im Stuttgarter Neuen Schloß zelebrieren. Treffsicher charakterisierte er Teufels Verhältnis zu Amt und Land: »Es ist seine Sache, und seine Sache, das ist er.« Ein wenig boshaft fügte er hinzu: »Mag sein, daß Erwin Teufel in seiner unbeirrbaren Sachlichkeit manchen Jüngeren nervös gemacht hat. Mich nicht.«
Teufel jedenfalls wirkte auf andere wie eine »Geißel in den Händen der Spaßgesellschaft« (Walser). Das gefiel vielen im Lande nicht, vor allem denjenigen, die sich von Teufels Devise »ora et labora« (»Bete und arbeite«) nicht so recht angesprochen fühlten – wenngleich dieser Leitspruch des Heiligen Benedikt wie geschaffen war für die Schwaben. Aber im Württembergischen kennt man inzwischen auch den Spaß an der Freud’, nicht zu verwechseln mit dem Karnevalstrubel am Rhein oder mit den Trinkritualen beim Münchner Oktoberfest. Nein, der Spaß der Schwaben ist subtiler, leiser und jenseits der Landesgrenzen nicht jedem sofort verständlich. Da ist eine Generation herangewachsen, die vom Hungern und Darben der Kriegs- und Nachkriegszeit nichts mehr mitbekommen hat und deshalb auch leicht über historische Erfahrungen hinweggeht, die die Teufel-Generation noch selbst machen mußte. Man will auch was vom Leben haben, also hat sich das Motto gewandelt. Nicht mehr »Bete und arbeite«, sondern »Lebe und arbeite«.
Insofern, aber nur insofern, war der Übergang vom eher
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