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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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des net a schönes Wetterle? So a nettes Mädle!« Und die verharmlosende. Sagt der Schwabe, er habe »a Wägele kauft«, kann es sich durchaus um einen Straßenkreuzer, Marke S-Klasse, handeln. Lädt er in sein »Häusle« ein, steht man womöglich vor einem kleinen Schloß, ein »Fabrikle« entpuppt sich als veritabler Konzern, und die paar Äckerle, die unser Untertreiber sein eigen nennt, können sich bis zum Horizont erstrecken. Bloß: Zugeben wird er das nicht gleich. Genausowenig, wie er einräumt, er habe sich einen dicken Ranzen angefuttert. Nein, er gibt höchstens dreifach minimierend zu, er habe »a bißle a klois Bäuchle«.
    Aber Vorsicht, es gibt auch die verspottende Silbe »le«. Zum Beispiel, wenn eine Ehefrau ihren Mann ein »Ma’le« nennt. Damit dokumentiert sie, daß der Herr Gemahl längst unter dem Pantoffel liegt oder unter dem Sofa sitzt. Verunglimpft sie ihn gar als »Mändle«, dann hat er dazu noch etwas ausgefressen und muß böse Rache fürchten. Zum Beispiel, wenn jemand einen Menschen namens Maier oder einen Abgeordneten namens Kist oder einen Präsidenten namens Bush nicht leiden kann. Dann wird daraus der Maierle, der Kistle, ja sogar »dr Buschle«. Dann wird der Amtmann zum Amtma’le, der Regierungsrat zum Rätle, der Präsident zum Präsidentle. Das schrammt knapp an einer Beleidigung vorbei – ohne daß sie zu beweisen wäre. Es ist ja nur das harmlose »le«, das da angeklebt wurde. Allerdings sollte man nicht auf ein Übermaß an Selbstironie tippen, wenn sich ein Schwabe mit »Gestatten, Häfele« oder »Zipperle« vorstellt. Bitte nicht lachen, die Herren heißen wirklich so. Oder sogar Schwitzgäbele.
    Notwendige Fußnote: Das Verkleinerungs-le beschränkt sich nicht nur auf Substantive, es schmückt auch Verben wie schäffle, köchle, fußle, höpfle. In Wirklichkeit mischt sich hier der schwäbische Infinitiv mit miniaturisierten Tätigkeiten. Wer schäffelt oder köchelt, der schafft und kocht nur ein bißchen, wer fußelt, rennt nicht schnell und nicht weit – oder er betreibt Annäherungsversuche unter dem Tisch. Dann wird er bald höpfelig, was gleichbedeutend mit triebig ist. Und wenn es in einem Lied heißt »Es schneielet, es beielet, es goht a kalter Wind«, dann schneit es eben nur kleine Flocken.
Das einzig wahre Schwäbisch
    Nun wäre die Materie eigentlich kompliziert genug. Aber sie wird noch dadurch verschärft, daß sich die Schwaben gern gegenseitig die Fähigkeit absprechen, den wirklichen, authentischen Dialekt sprechen zu können. Ob der Calwer, der Rottenburger, der Saulgauer, der Münsinger, der Gmünder oder der Marbacher: Jeder hält seinen Kiefer- und Stimmbandbau für den einzig originalen, die aus seiner Mundöffnung entspringenden Laute als die einzig wahren. Nur in einem sind sie sich einig: die Schtuegerter könnet’s überhaupt net. Denn die Stuttgarter sprechen ja so ein geschwollenes Hoch- und Honoratiorenschwäbisch, das gleich nebenan, im einst pietistischen Korntal, in ein frommes »Tönle« kulminiert. Da heißt es dann nicht »Wir sind mit dem Auto gegen einen Baum gekracht«, sondern: »Mir habet an Uuhfall habe dürfe.« Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt.
    Diese sprachliche Betulichkeit hat den Rottenburger Sebastian Blau (1901 bis 1986), der als Prof. Josef Eberle »nebenher« Herausgeber der »Stuttgarter Zeitung« war, immer geärgert. Deshalb nahm er Stuttgarter Kaffeetanten mit »ihre noble Krämpf« auf die Schippe: »Ja, i nimm no so e’ Küchle, / aber nachher muß i geh. / Gell, Sie machet bald a Bsüchle, / daß mr schwätza kann. Adje.« Am anderen Ende steht Wilhelm König, der Reutlinger Mundartdichter, dessen Radikalschwäbisch selbst für manche Landsleute schwer lesbar ist: »Noe, ed wie zwischa Diar ond Angl schdandi mid meinr Schbrooch …« Nein, er steht wirklich nicht zwischen Tür und Angel, mit seiner Sprache. Sondern, meinen manche, hinter den sieben Bergen.
    Aber es hilft nichts, die regionalen, lokalen Unterschiede sind da. Wenn der gehobene Stuttgarter zählt, dann »Ais, zwai, drei, vier, finf«. Die Landpomeranze wird anders zählen: »Ois, zwoi, dreij, vir, fenf«. Und wenn ein richtiger Schwabe dazustößt, dann heißt es eben »Oas, zwua, drui, vire, faif«. Deshalb kauft man auf dem Stuttgarter Wochenmarkt »Ai Ai«, also ein Ei, weiter draußen aber »Oi Oi« – oder gleich »Oa Oa«, was auf dasselbe herauskommt. Und in drei

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