Gebrauchsanweisung für Schwaben
Schubkarren hinwies, den man vielleicht »mitlaufen« lassen könne, sprach der Alte nur kurz und lebenspraktisch den Satz: »Em ra« – also: »auf dem Rückweg«.
Kürzer schaffte es nur jener Stadtbahnfahrer, den eine Dame beim Einsteigen am Stuttgarter Hauptbahnhof herrisch und ein bißchen arrogant fragte, ob er zur Prag fahre (bei der es sich nicht um die tschechische Hauptstadt handelt, sondern um ein Flurstück und einen Verkehrsknotenpunkt zwischen Feuerbach und Cannstatt). Der Mann sprach mit einem anderen Fahrgast, dann per Funk mit seiner Zentrale, dann mit einer Bekannten. Nach einer Weile fuhr die Dame resolut dazwischen: »Ja, fährt dieser Wagen jetzt zur …?« Weiter kam sie nicht, denn der Fahrer sagte nur einen Ein-Wort-Satz: »Noi.« Inzwischen war man am Olgaeck. Andere Richtung, in jeder Hinsicht.
Die Sprache des Südwestens eignet sich, trotz Schiller, kaum für das Dramatische und Pathetische. So werden sich der Landsmann oder sein Schatz am liebsten davor drücken, dem Gegenüber eine förmliche Erklärung zu machen: »Ich liebe dich!« Noi, das heißt hierzulande und auf dem Bodensee »I mag di« (mit dem Parfum-Laut!). Und wenn’s noch ärger wird: »I mag di arg.« oder »I mag di ganz arg!« oder gar »I mag di saumäßig.« Oder schließlich, wenn die Hitze sich dem Siedepunkt nähert: »I han di zom Fressa gern.« Es sei denn, es handelt sich um jugendliche Popfans. Die sagen durchgängig: »Ai laff ju.« Klingt irgendwie auch schwäbisch.
Wenn wir schon bei Amor sind: In puncto Geschlecht pflegt der Schwabe ebenfalls seine Eigenheiten. Nein, nicht im Umgang mit demselben – das hat sich inzwischen auf Normalnull eingepegelt. Aber beim Sexus seiner Substantive. Beim Fuß ist es noch einfach: der ist, wie auch sonst im Land, männlich, aber er reicht vom großen Zeh bis zur Hüfte. Klagt also ein Landsmann nach einer Wanderung, daß ihm »d’Fiaß weh« täten, dann kann sich der Schmerz auch auf die Knie, »d’Gnui«, auf die Oberschenkel oder die Hüftgelenke erstrecken. Es ist ein weites Feld. Abgesehen davon, daß der Schwabe »lauft«, wenn er geht, »springt«, wenn er läuft, »hopft«, wenn er springt – und »saut«, wenn er eigentlich bloß rennt. »Sau, Karle!« ist keine Beleidigung, sondern nur die Aufforderung, ein höheres Tempo vorzulegen.
Bei anderen Begriffen ist die Abweichung deutlicher. Daß die Butter hierorts »der Butter« heißt, und der Tunnel »das Tunell«, hatten wir schon. Daß die Zwiebel, die Schokolade, das Litermaß und die Bank, wenigstens die im Stadtpark, allesamt männlich sind, noch nicht. Und ebenso der Peterling, der für die Petersilie steht. Der Mensch verwandelt sich in »das Mensch«, wenn eine Dame gemeint ist, und die Rippe in »das Ripp«, wenn die Dame auch noch »eine Beißzang« ist. Und der Schwan verwandelt sich in »die Schwane«, wenn ein Wirtshaus so heißt.
A Teele fürs Fraule
Allgemein beliebt ist die landestypische Verkleinerungsform, das längst bundesweit bekannte, angehängte »le«. Auf den Speisekarten feiner Restaurants hat dieses Diminutiv inzwischen seinen nationalen Siegeszug angetreten. Da wimmelt es, selbst im Norden, nur so von feinen Schneckensüpple, von Bäckle und Schäufele, daß einem schier der Kindlesbrei hochkommt. Edel, exklusiv soll das klingen. Dabei verrät es oft nur eines: kleine Portionen und saftige Preise.
Dem Auswärtigen sei gesagt: Es hilft nichts, einfach hinter jedes Substantiv ein »le« zu setzen. Denn es gibt auch im Schwäbischen Elementares, das nicht miniaturisiert wird: Der Herrgott (daran ändert weder das unschwäbische »Ach Gottle« noch das »Herrgöttle von Biberach« etwas). Dasselbe gilt für den Neckar, den heilige Fluß der Schwaben, für die Alb, die Wahrheit, den Schultheiß, den König, für Blitz und Donner, Sonne und Mond. Wohl tröpfelt hin und wieder ein mildes Regele, also ein kleiner Regen, auf die Dächer, und die Sternle, die so klein scheinen, blinken vor sich hin.
Ja, Verkleinerung steckt hinter dem »le« – aber die Motivation kann sehr unterschiedlich sein. Die erste Kategorie benennt Junges, Kleinwüchsiges, und ist zärtlich gemeint: das Kälble, das Mückle, das Bäumle – alles noch nicht ausgewachsen. Das gilt auch für das Biberle, das kleine Hühnchen. Aber Vorsicht, schwäbische Buben pflegen so auch ihr Johannesle zu benennen, in aller Unschuld.
Dann gibt es die lobende le-Silbe: »Prima, das war aber a Essele! A feines Kräutle! Isch
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