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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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nebeneinanderliegenden Dörfern des Unterlandes heißt »Nein« einmal »Noi«, einmal »Noa« und schließlich »Nua«. Mögen die Mundartforscher herausfinden, warum das so ist. Allerdings sollten sie sich beeilen – die Vielfalt schwindet.
    Diese Nivellierung beginnt heutzutage schon im Kindergarten. Sagt der kleine Paul zu dem ihn abholenden Großvater: »Du, Opa, der andere Opa sagt immer Graoßengerscha.« – »Und wie sagst du?« – »Ha, richtig: Großingersheim, gell.« Immerhin, »Ha« war schwäbisch. Und der Rest typisch. In den Kindis und anderen Betreuungseinrichtungen wird, auch mit Rücksicht auf die Einwandererkinder, zwischen Starwars, Bionicles und Power Ranger ein gemäßigtes Schriftdeutsch gesprochen. Das hat den Vorteil, daß sich der Nachwuchs später nicht als »Schwäble« belächeln lassen muß. Das hat aber den Nachteil, daß die Kleinen nicht mehr zweisprachig aufwachsen, was das kindliche Gehirn wunderbar trainiert hat.
Vom Drallewatsch zum Grandseggl
    Doch das wird längst auf andere Weise ausgeglichen. Die Globalisierung sorgt dafür, daß in großen Firmen – wir nennen nur DaimlerChrysler – Englisch zur Konzernsprache wird. Und da die Schwabenbüble und -m ä dla heute längst »Good morning« lernen, ehe sie Laugaweggle zum Laugenbrötchen sagen können, stehen ihrer Zukunft keine sprachlichen Hindernisse mehr im Wege.
    Nur eines wird ihnen fehlen: die Kraft, die aus den alten Kernausdrücken stammt. Die einstige, inzwischen arg geglättete Derbheit des Schwaben drückte sich auch in den Schimpfwörtern aus, die Sebastian Blau in einem Gedicht »St. Grobian« gesammelt hat: »Da pratzelt es mit Donnerkrach, / wie Hagel auf ein blechern’ Dach, / von Dackel, Trialer, Dubbel, Lalle, / von Lohle, Drallewatsch und Galle, / von Tagdiab, Trödler, Trübling, Dibbel / bis Grüftel, Kopper, Grupper, Krüppel …« So geht es seltenweise weiter.
    Der ebenfalls längst verblichene Thaddäus Troll alias Dr. Hans Bayer hat daraus eine ganze »Schwäbische Schimpfwörterei« gemacht. Aus ihr ragen so schöne Bezeichnungen wie das Märzakalb heraus, das Erdrindvieh und der Mordsdackel. Letzteres klingt bedrohlich, ist es aber nicht, weil der Dackel zur landesüblichen Umgangssprache gehört. Riskant wird es erst, wenn jemand seinen Widersacher einen Halbdackel nennt. Weil der Schwabe nie etwas Halbes sein will, beschädigt das seine Ehre – da ist er heikel. Ersatzweise könnte man den Landsmann dann lieber einen Seckel nennen – je weiter man sich dem Badischen nähert, desto eher wird daraus ein Ehrentitel, wie im Schwäbischen der Schbitzbua. Nur Leedseggl, was von löten kommt, oder Grandseggl sollte man nicht sagen. Das ist nämlich kein Lob für Handwerkskunst oder übergroße Potenz. Und vom Muckenseckele sollte man auch nicht reden. Das ist kein Schimpfwort, sondern ein lokales Längenmaß. »No a Muggaseggele« heißt einfach: noch einen Millimeter.
    Ansonsten ist die verbale Kraftmeierei reichhaltig bestückt. Das reicht von guten Ratschlägen wie »Selber essa macht fett« über Komplimente wie »Der kann sprenga wie a Wiesele« bis zum doppelsinnigen Lob »Das ist ein Kerle wie Öl – bloß net so fett.« Das betrifft Gerüche: »Der muffelt wia a Küferschurz«, das betrifft bevorstehende Geburten: »Der fallt bald dr Ofa ei«, das hat selbst vor dem nahen Tod keinen Respekt: »Der lauft auf de letschte Füaß daher.« Das alles ist selbstverständlich nicht bös gemeint. Man sagt es halt »in Gutem«.
Bagasch mit Boddschamber
    Was den Schwaben heimlich stolz macht, ist sein Französisch. Nein, nicht das richtige, sondern all die schönen Wörter, die aus jenen Zeiten stammen, als Französisch zweite Landessprache war – der vielfachen Besatzungen wegen. Deshalb spricht der Schwabe gern vom Bartärr (Parterre), wenn er das Erdgeschoß meint, vom Sudderai (Souterrain), wenn er in den Keller geht, vom Blafo, wenn er an die Decke, an den Plafond, guckt, vom Troddwar, wenn er den Gehweg reinigt. Das tut er bartuh (partout) nicht zum Bassleda’, zum Passer-le-temps, also zum Zeitvertreib, sondern weil er kein Malhör mit der Bagasch von der Nachbarschaft will. Da ist er schenant, was von genieren kommt. Hinterher wäscht er sich ganz dus’ma (doucement) seine Hände, nein nicht im Boddschamber, also im Pot-de-Chambre (Nachttopf), sondern im Waschlavörle; das ist sicherheitshalber doppelt gemoppelt, weil waschen und lavoir dasselbe sind. Jedenfalls macht er, auch wenn er

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