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Gebrochen

Gebrochen

Titel: Gebrochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeany Lena
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durchatmete, um mich von meiner Anspannung zu erholen. Als Leon nach einer viertel Stunde noch immer nicht kam, ging ich nachsehen. Er lag im Bett, zusammengerollt und schluchzend. Verdammt!
    Was hatte ich ihm da nur angetan? Oder hatte er etwas erfahren, das ihn so reagieren ließ? Ich setzte mich wie letztes Mal neben ihn, auch meine Hand legte ich wieder auf seine Schulter. Natürlich spannte er sich sofort an.
    „Ich bin´s nur. Was ist los?“, fragte ich leise. Er reagierte nicht, wenn man davon absah, dass er sich wieder entspannte. Lächelnd nahm ich zur Kenntnis, dass es diesmal schneller ging, fast schlagartig.
    „Schlechte Nachrichten?“, bohrte ich nach einer Weile. Er schüttelte nur den Kopf. Damit musste ich mich wohl zufrieden geben. Vielleicht war es auch nur der Arztbesuch an sich, der ihn erneut so aufgewühlt hatte.

    ***

    Der Arztbesuch war eine Woche her und ich erwartete jeden Tag den Brief. Tatsächlich war er am Freitag bei der Post. Schnell lief ich nach oben, selbst ziemlich gespannt, wie die Ergebnisse aussahen. Eine gehörige Portion Angst um Leon war mit dabei. Als ich ins Wohnzimmer kam, kauerte er auf dem Sofa, die Decke um sich geschlungen. Er zitterte am ganzen Körper.
    „Was ist los?“, fragte ich, sofort besorgt.
    „Mir ist nur kalt“, beruhigte er mich.
    „Wirst du krank?“, beruhigte mich diese Aussage keine Sekunde. Er schüttelte den Kopf. Ich setzte mich auf den Fernsehsessel und betrachtete ihn, nach wie vor besorgt.
    „Draußen ist es kalt“, sagte er als würde das alles erklären.
    „Du warst draußen?“, fragte ich erfreut, dass er das gewagt hatte. Zeigte es schließlich, dass er erneut einen Fortschritt gemacht hatte. Er warf mir einen ängstlichen Blick zu und nickte.
    „Das ist gut“, stellte ich fest, ignorierte diesen Blick, auch wenn es mich ein wenig enttäuschte, dass er ihn mir überhaupt zuwarf. Er nickte zaghaft.
    „Wieso hast du dir denn keine Jacke genommen?“, fragte ich ein wenig tadelnd. So wie er zitterte, konnte er nur im T-Shirt unterwegs gewesen sein. Er spannte sich komplett an. Weil ich tadelnd gesprochen hatte, oder weil er nicht sagen wollte, dass er sich nicht getraut hatte, war mir nicht ganz klar. Doch es war auch unwichtig.
    „Bestell dir einfach bei diesem Versandhandel, was du brauchst. Ja?“, forderte ich ihn sanft auf. Er nickte zaghaft. Da fiel mir ein, dass ich das andere Paket wieder zur Post bringen musste, denn es waren einige Sachen, die zurück geschickt werden sollten. Das erinnerte mich wiederum daran, dass ich nicht da sein würde, wenn die Post klingeln würde.
    „Wenn das Paket dann kommt, kommt der Typ bis an die Wohnungstür und bringt es dir. Du musst dann unterschreiben und das war´s“, erklärte ich. Vielleicht machte ich mich zum Idioten, doch ich vermutete stark, dass er noch niemals ein Paket entgegen genommen hatte. Leon nickte und ich beschloss, das Thema zu wechseln.
    „Deine Testergebnisse“, erklärte ich und hielt ihm den Brief unter die Nase.
    „Ich muss dafür nicht hin?“, fragte er verblüfft.
    „Ich dachte es wäre dir lieber so“, erklärte ich schulterzuckend. Leon hob den Kopf und sah mich an. Endlos schien mir der Blick, mit dem er in meinem Gesicht forschte. Ich konnte mein Lächeln nicht unterdrücken. Ich durfte so selten richtig in sein Gesicht sehen, in seine Augen. Endlose fünf Sekunden durfte ich ihn betrachten, dann senkte er den Kopf und nahm den Brief. Seine Hände zitterten so sehr, dass ich mich fragte, ob er überhaupt etwas entziffern konnte. Ich wandte mich ab und ging in die Küche, um uns einen Kaffee zu machen. Nach wenigen Minuten kam er nach.
    „Und?“, konnte ich meine Neugier nicht zügeln. Wortlos reichte er mir den Zettel und setzte sich an den Tisch. Gespannt las ich den medizinischen Kauderwelsch, den ohnehin kein Mensch verstand. Doch was ich lesen konnte, war das „negativ“ am Ende von jedem Satz. Als letztes hatte der Arzt auch noch in verständlichem Deutsch seine Diagnose festgehalten. Einfach ausgedrückt, Leon war vollkommen gesund - ein erleichtertes Lächeln breitete sich in meinem Gesicht aus – bis auf seine Unfruchtbarkeit. Mein Lächeln erlosch schlagartig und ich fragte perplex: „Du bist unfruchtbar?“
    Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, wie wenig gefühlvoll diese Frage gewesen war. Leon saß auch angespannt auf seinem Stuhl, nickte nur. Es würde mich nicht wundern, wenn …
    Da stand er schon auf und flüchtete vor mir.

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