Gebrochen
verteidigte ich mich.
„Ich hab schon drei Mal heute angerufen!“, empörte sie sich.
„Mum, bitte ich war bis vor einer halben Stunde in der Arbeit, das weißt du doch genau“, versuchte ich sie zu beruhigen.
„Und wer hat dann abgehoben?“, lauerte sie.
„Leon, schätze ich mal“, ich warf ihm einen Blick zu. Er saß ängstlich zusammengekauert auf dem Fernsehsessel.
„Wer ist Leon?“, wollte meine Mutter natürlich wissen.
„Ein Freund von mir. Wohnt hier“, erklärte ich, weil ich meine Mutter kannte. Sie war unheimlich neugierig. Auch diese Information war ihr zu wenig.
„Warum legt er einfach auf?“, wollte sie wissen.
„Weil ich ihn gebeten habe, nicht ans Telefon zu gehen, weil hier in letzter Zeit ständig dieser Werbungsmensch anruft. Er hat vermutlich im ersten Moment nicht daran gedacht und dann wieder aufgelegt“, tischte ich ihr eine Notlüge auf.
„Warum wohnt er bei dir?“, wechselte sie das Thema.
„Weil ich es ihm angeboten habe“, ich schloss gequält die Augen, das konnte stundenlang so weiter gehen.
„Warum ist er untertags zu Hause?“
„Weil er von hier aus arbeitet. Bist du jetzt fertig mit deinem Verhör?“, fragte ich ein wenig bissig.
„Äh ja. Ich wollte eigentlich sagen, dass wir am Wochenende vorbei kommen wollen“, erklärte sie.
„Klar, ich hab dich ja auch eben freundlich eingeladen“, kicherte ich sarkastisch. Leon verkrampfte sich dermaßen, dass ich diesmal wirklich dachte, dass seine Muskeln reißen müssten.
„Hast du ein Problem, wenn wir dich besuchen wollen? Wir haben dich ohnehin ewig nicht gesehen. Und du meldest dich ja nicht. Also…“
„Mum bitte“, unterbrach ich sie, „Tut mir leid, ich hatte viel um die Ohren. Ich komme zu euch, ist das auch recht?“
„Warum?“, das Misstrauen war nicht zu überhören. Ich hatte meine Eltern echt gern, aber manchmal war meine Mutter einfach nur anstrengend.
„Weil Leon zu arbeiten hat und sich dabei konzentrieren muss“, erklärte ich einfach.
„Am Wochenende?“
„Ja, kann ich jetzt vorbei kommen oder nicht?“, kam ich einer weiteren Frage zuvor.
„Ja sicher. Samstag Mittagessen“, verlangte sie.
„Natürlich“, stimmte ich schmunzelnd zu. Ich verabschiedete mich schnell und legte auf, bevor sie noch weitere Fragen stellen konnte.
„Danke“, flüsterte Leon. Ich blickte zu ihm, er hatte sich schon wieder entspannt.
„Kein Problem“, wiegelte ich ab.
„Du hast deine Eltern angelogen“, stellte er fest. Offensichtlich war das doch ein Problem.
„Eine kleine Notlüge“, meinte ich schulterzuckend.
„Aber wenn sie´s rauskriegen?“, wollte er wissen. Seine Stimme klang kläglich und ich sah ihn wieder an. Er war besorgt, eindeutig. Warum?
„Warum so besorgt?“, fragte ich direkt.
„Ich will nicht schuld sein, wenn sie dir wehtun“, flüsterte er nur noch.
„Leon, meine Eltern haben mir noch nie wehgetan. Und wegen sowas schon gar nicht“, erklärte ich ihm. Er atmete erleichtert auf. Ich dachte mir schon gar nichts mehr dabei. Er schloss immer von sich auf alle anderen, so wie es aussah. Egal wie oft ich ihm das Gegenteil erklärte, bei jeder neuen Situation, hatte er zuerst einmal Angst.
***
Am nächsten Tag, kam Hannes zu Besuch. Wie immer unangemeldet, kam er einfach ins Wohnzimmer. Seine Rücksichtnahme wegen Leon war scheinbar schon wieder vorbei, schoss mir in den Sinn. Sonst hätte er sich, wie das letzte Mal, vom Vorzimmer aus gemeldet.
„Na ihr zwei, wie geht`s?“, fragte er gutgelaunt.
„Wie immer gut“, grinste ich und stand auf. Ich warf Leon, der zusammengekauert auf dem Sofa saß, einen fragenden Blick zu. Er nickte leicht und ich setzte mich, während sich Hannes auf den Sessel warf.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte ich. So gut gelaunt, hatte ich ihn schon lange nicht mehr gesehen.
„Erstens hat mich deine Mutter zum Spionieren geschickt“, erklärte er frei heraus und warf dabei einen Blick zu Leon. Ich lachte und dachte, dass sie noch an ihrer Neugier ersticken würde.
„Wenn du auch nur ein Wort sagst, red ich nie wieder mit dir!“, drohte ich, noch immer lachend. Hannes nickte grinsend: „Hatte ich nicht vor.“
Er runzelte kurz die Stirn, wobei er Leon ansah. Ich warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. Er war, wie nicht anders zu erwarten, vollkommen angespannt. Ich achtete nicht weiter darauf, denn wenn es ihm zu viel würde, würde er es mich wissen lassen, oder gehen.
„Und zweitens hab ich eine
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