Gebrochen
Freundin“, strahlte Hannes übers ganze Gesicht. Ich nickte nur, damit er keine Details auspackte. Das wollte ich Leon dann doch nicht antun. Dieser stand in diesem Moment auf und ging wortlos Richtung Schlafzimmer. Ich blickte ihm nach, wie er ums Eck verschwand. Erst dann wandte ich mich wieder Hannes zu. Doch ich kam nicht zu meiner Frage, denn er kam mir zuvor: „Redet der auch mal ein Wort?“
„Mit mir schon“, erklärte ich lächelnd.
„Du auch“, stellte er fest.
„Hä?“, machte ich verständnislos.
„Ich seh dir genau an, dass es dich voll erwischt hat. Raus mit der Sprache. Wer?“, grinste er verschwörerisch. Das Lächeln breitete sich automatisch in meinem Gesicht aus, als ich seufzte: „Leon.“
„Du hast dich doch noch in ihn verknallt?“, rief er fast empört aus.
„Schrei nicht so. Außerdem nicht doch noch . Und es hat mit einfachem verknallt sein nichts zu tun. Ich liebe ihn“, erklärte ich jetzt doch ein wenig niedergeschlagen.
„Er ist schwul?“, fragte Hannes natürlich nach. Auch die Verblüffung konnte ich ihm nicht verübeln.
„Keine Ahnung“, gestand ich, „Ist sowieso egal, weil er bestimmt als letztes an eine Beziehung denkt.“
„Immer noch?“, fragte Hannes mitleidig.
„Ja. Er braucht noch viel Zeit“, erklärte ich traurig. Ich würde das gerne beschleunigen, alleine schon, damit er nicht ständig litt.
„Verrätst du mir irgendwann, was mit ihm los ist?“, lauerte Hannes.
„Nein. Ganz sicher nicht“, empörte ich mich, so gut sollte er mich eigentlich kennen!
„Einen Versuch war´s wert“, kicherte Hannes. Ich schüttelte tadelnd den Kopf und lenkte ihn mit der Frage, auf die er in Wirklichkeit wartete, ab: „Wie sieht´s aus mit der Freundin?“
Was folgte war ein halbstündiger Bericht. Hannes liebte es einfach, über seine Freundinnen zu reden. Ich vermutete, dass er es nur bei mir so ausführlich machte, weil ich sie ihm bestimmt nicht ausspannen würde.
Natürlich war das nicht das einzige Thema und als Hannes sich verabschiedete, war es weit nach Mitternacht. Müde schleppte ich mich ins Bett.
***
Am nächsten Morgen kam ich entsprechend spät aus den Federn. Leon war auch nicht viel früher aufgestanden, denn er war drei Mal mit einem Schrei aufgewacht. Als ich in die Küche kam, saß er am Tisch. Er zuckte so stark zusammen, dass er den Kaffee verschüttete. Ich reichte ihm ein Küchentuch, wobei er wegzuckte. Das alarmierte mich ziemlich, doch zuerst brauchte ich meinen Kaffee. Also setzte ich mich und trank. Essen wollte ich nichts, weil ich in zwei Stunden bei meinen Eltern sein sollte. Meine Mutter tischte immer auf, als befürchtete sie, dass ich halb verhungert ankäme. Wenn ich dann ihrer Meinung nach zu wenig aß, war sie beleidigt.
Leon warf mir immer wieder ängstliche Blicke zu, sodass ich schon bald wissen wollte: „Was ist los?“
Panisch schüttelte er den Kopf.
„Komm schon, raus mit der Sprache. Was hab ich dir getan?“, fragte ich, ein wenig gekränkt. Ich riss mich sofort wieder zusammen, was mir sicher um einiges leichter fiel, als ihm.
„Ich hab euch gestern gehört“, sagte er nur. Es klang wie ein Vorwurf. Mühsam versuchte ich mich zu erinnern, was ihn daran so gegen mich wenden könnte. Doch mir wollte nichts einfallen.
„Und?“, bohrte ich daher weiter.
„War es das, was du mir letzten Samstag nicht sagen wolltest?“, fragte er bitter.
„Ich hab keine Ahnung, was du meinst“, gestand ich.
„Du hast gesagt, dass du mich nicht verunsichern willst“, erklärte er. Ich nickte nur.
„Und gestern hast du gesagt, dass du mich liebst“, fuhr er fort. Den Blick hatte er die ganze Zeit gesenkt. Ich seufzte schwer. Genau deshalb hatte ich es ihm nicht sagen wollen.
„Und jetzt hast du Angst, dass ich über dich herfalle?“, versicherte ich mich. Er nickte, eine Träne tropfte in seinen Kaffee.
„Das würde ich niemals machen“, sagte ich nur. Es tat weh, dass er das immer noch von mir glaubte. Dabei hatte ich doch so sehr Rücksicht genommen.
„Wenn man jemanden liebt, dann passt man auf den anderen auf und fügt ihm keine Schmerzen zu. Oder macht Dinge, die er nicht will. Oder…“, hilflos brach ich ab. Wie sollte ich die Liebe erklären? Die selbstverständlichste Sache der Welt?
Leon sprang auf und lief aus dem Zimmer. Ich blieb noch sitzen, brauchte eine Weile, um mich zu sammeln. Ich musste mir erneut klarmachen, dass er Gründe für sein Verhalten hatte. Schmerzhafte
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