Gebrochen
vergessen.
„Wie können Eltern nur so grausam sein?“, fragte er weiter, sein Blick hing an dem Mauereck, hinter dem Leon verschwunden war. Ich zuckte innerlich zusammen. Was hatte er mitbekommen? Egal. In Wirklichkeit war es vollkommen egal.
„Es tut mir leid, dass ich dich da reingezogen habe“, entschuldigte ich mich.
„Kein Thema. Das nächste Mal sag vorher Bescheid. Dann brech ich dem Schwein die Nase“, erklärte er grimmig. Ich musste unwillkürlich grinsen. Er konnte es gar nicht haben, wenn jemand falsch behandelt wurde.
„Vergiss es wieder. Bitte“, flehte ich. Ich wollte nicht, dass wegen mir jemand Bescheid wusste und Leon sicher auch nicht.
„Was denn? Ich war doch nur einen alten Kumpel besuchen und wir haben ein Bier getrunken“, erklärte er und prostete mir zu. Ich grinste dankbar und hob ebenfalls meine Flasche. Dann atmete ich tief durch. Wir unterhielten uns nicht lange, schon nachdem wir ausgetrunken hatten, verabschiedete Felix sich. Ich brachte ihn zur Tür, wo er meinte: „Sollten uns mal wieder treffen?“
„Ja, sicher“, sagte ich erfreut. Warum hatten wir den Kontakt überhaupt abgebrochen? Ich wusste es nicht. Er nickte noch einmal, zog mich in eine Umarmung, dass mir wieder die Luft wegblieb und ging dann.
Ich sah nach Leon, der zusammengerollt im Bett lag. Da er keinen Ton von sich gab, wollte ich wieder gehen, da murmelte er: „Es tut mir leid.“
„Was denn?“, fragte ich verblüfft und setzte mich zu ihm.
„Dass du wegen mir so …“, er brach ab und fuhr nach einer Weile fort: „leidest.“
„Schon gut. Mach dir deshalb keinen Kopf“, beruhigte ich ihn. Er sollte sich nicht auch noch wegen mir Sorgen machen.
„Warum hast du das gemacht?“, wollte er wissen.
„Du brauchst einen Ausweis, dafür die Dokumente“, erklärte ich ihm. Er nickte und wollte aufstehen. Schnell machte ich den Platz frei. Wir gingen wieder ins Wohnzimmer, machten es uns auf dem Sofa und dem Fernsehsessel gemütlich.
„Für das Konto?“, knüpfte er an vorher an. Ich nickte nur. Nach einer Weile meinte ich: „Glaubst du, du kannst den Rest alleine erledigen?“
Fragend blickte ich ihn an, er blickte kurz zu mir, spannte sich an.
„Ich kann mir zur Zeit schwer frei nehmen“, entschuldigte ich mich. Er reagierte eine ganze Zeit gar nicht, dann fragte er: „Was muss ich denn machen?“
„Zuerst zu einem Fotografen, wegen einem Passfoto für den Reisepass. Dann damit auf die Bezirkshauptmannschaft“, erklärte ich. Leon nickte ein wenig unsicher. Ich hatte jetzt schon ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn da alleine hinschickte. Aber er sollte es versuchen, wenn es nicht klappte, konnte ich mir immer noch ein paar Stunden Zeit nehmen. Länger sollte das schließlich nicht dauern.
***
Die folgenden Wochen waren anstrengend für mich. In der Arbeit war viel los, wie immer in der Vorweihnachtszeit. Als diese galt hier nicht nur die Adventszeit, sondern fast ein Monat mehr. Wenn ich mich durch meine Arbeit, die sich auf dem Schreibtisch häufte, wühlte, wollte ich nur noch, dass Weihnachten vorbei war.
Sobald ich die Wohnungstür aufschloss, konnte ich die Arbeit aus meinem Kopf streichen, sodass ich mich für gewöhnlich komplett entspannen konnte. Doch ich musste mich wegen Leon am Riemen reißen. Ich wollte ihn nicht verunsichern, oder ihm das Gefühl geben, dass ich etwas wollte, was er mir nicht geben konnte. Deshalb beherrschte ich meine Blicke, was mir mit jedem Tag schwerer fiel. Die einzige Möglichkeit, seinen Anblick in mich aufzusaugen war morgens. Wenn er noch schlief, konnte ich ihn gefahrlos betrachten. Er stand jetzt immer später auf, weil er meist bis spät nachts am Computer saß. Nach dem zweiten Programm hatte er erneut einen Auftrag von Heinz bekommen. Das Geld für das zweite Projekt hatte er sich schon auf sein Konto überweisen lassen können. Ich war ganz besonders stolz, dass Leon das hinbekommen hatte. Es hatte eine Woche gedauert, bis er sich überwunden hatte, den Gang zum Fotografen und anschließend auf die Bezirkshauptmannschaft anzutreten. Doch er hatte es geschafft. Als ich ein paar Tage später von der Arbeit gekommen war, hatte er mir erklärt, dass er auf der Bank gewesen war und ein Konto eröffnet hatte. Einfach so. Ich hatte ihn nur verwundert anstarren können. Sein Blick war sofort verunsichert gewesen. Schnell hatte ich ihn beruhigt, dass ich nur erstaunt war, dass er das alleine geschafft hatte. Da hatte er mir das erste
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