Gebrochen
erwachsener Mensch, der seine eigenen Entscheidungen trifft!“, konterte ich.
„Wir brauchen das Geld!“, schrie sein Vater nun. Ich wollte etwas erwidern, da legte mir Felix die Hand auf die Schulter.
„Gehen wir“, sagte er leise. Ich nickte nur und wandte mich ab. Kaum waren wir aus dem Haus, zog ich die Lungen voll frischer Luft. Wie konnte man nur in so einem Gestank leben?
Ich begann zu zittern, was ich nicht stoppen konnte. Das eben gehörte, setzte mir ziemlich zu. Es waren wieder Details, die ich erfahren hatte, die ich aber nicht wissen wollte.
„Ich fahre“, sagte Felix. Ich nickte nur, reichte ihm den Schlüssel und stieg auf der Beifahrerseite ein.
Dass sein Vater ihn verkauft hatte, war mir klar gewesen, doch dass seine Eltern ihn auch missbraucht hatten, nicht. Wie konnten sie das nur machen? Wie konnten sie in Leon immer noch nur jemanden sehen, der ihnen Geld verschaffte? Was hatte ich eigentlich erwartet? Dass sie vor ehrlicher Sorge umkommen würden? Dass es ihnen wichtig wäre, wie es ihm ging?
Wie naiv war ich eigentlich?
Erst als ich mich umsehen wollte wo wir waren, bemerkte ich, dass mir Tränen die Sicht verschleierten. Ärgerlich wischte ich sie weg. Ich hatte mir doch vorgenommen, nicht mehr so entsetzt zu sein?
Wie naiv war ich eigentlich?
Wir waren bei mir angekommen und ich wies Felix den Weg in die Tiefgarage. Als wir ausstiegen, fragte ich ihn, ob er noch mit hoch kommen wollte, etwas trinken. Das war wohl das Mindeste, nachdem er mir den Rücken frei gehalten hatte. Er stimmte zu und so fuhren wir mit dem Aufzug nach oben. Im Vorraum bat ich ihn: „Warte einen Moment ja?“
Als er nickte, ging ich ins Wohnzimmer. Leon saß auf dem Sofa, der Fernseher lief.
„Hi“, machte ich mich bemerkbar. Er zuckte kurze zusammen, scheinbar hatte er mich zuvor nicht gehört. Ich ging zu ihm und erklärte: „Ein Freund von mir ist noch mitgekommen. Er sieht zwar zum Fürchten aus, ist er aber nicht.“
Leon spannte sich an, wie ich befürchtet hatte.
„Er ist wirklich ein guter Kerl“, bekräftigte ich noch einmal. Leon nickte und ich ging wieder zu Felix.
„Leon ist schüchtern. Kein Umarmen, kein Händeschütteln“, forderte ich ihn auf. Zu meiner Überraschung nickte er sofort und ich brachte ihn ins Wohnzimmer. Leon hatte den Fernseher ausgemacht, doch das nahm ich nur am Rande wahr. Mein Blick war auf Leon gerichtet, der nach wie vor angespannt war.
„Hi Leon“, grüßte Felix. Leon nickte nur.
„Ein Bier?“, fragte ich Felix.
„Immer doch“, grinste er. Ich grinste zurück und sah Leon fragend an, dieser schüttelte nur den Kopf. Ich warf die Unterlagen auf den kleinen Tisch und ging in die Küche, um zwei Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Nachdem ich sie geöffnet hatte, ging ich ins Wohnzimmer zurück. Sofort sah ich, dass etwas nicht stimmte. Leon saß nicht mehr nur angespannt da, er war wie erstarrt. Im Vorbeigehen drückte ich Felix sein Bier in die Hand, der mich fragend ansah. Doch ich ging nicht darauf ein. Ich setzte mich neben Leon. Bevor ich dazu kam, ihn zu fragen, was los war, flüsterte er: „Du warst bei meinem Vater.“
„Ja“, sagte ich vorsichtig. Leon wandte den Kopf, blickte mich forschend an. Er begann am ganzen Körper zu zittern, was mir total unverständlich war. So hatte er noch nie auf mich reagiert.
„Was hat er mit dir gemacht?“, flüsterte er so leise, dass ich es kaum verstehen konnte.
„Nichts“, beruhigte ich ihn, „Dafür hatte ich ja Felix mit.“
Leon wandte den Blick ganz kurz zu Felix, dann wieder zu mir.
„Aber du hast geweint“, flüsterte er, fast noch leiser als zuvor. Er senkte den Blick wieder, starrte auf die Dokumente. Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich so ein Weichei war und ihm damit jetzt so zusetzte. Ich nickte nur, was sollte ich schon groß dazu sagen?
„Was hat er gesagt?“, bohrte Leon weiter, ein wenig lauter, aber immer noch flüsternd. Das Zittern hatte aufgehört. Ich sah ihn gequält an, sollte ich ihm das wirklich sagen? Warum sollte ich auch ihn damit quälen? Wäre eine Notlüge nicht besser? Nein, ich würde ihn nicht anlügen.
„Dass er eine finanzielle Entschädigung will. Ob mir klar ist, was ihm mit dir entgeht“, sagte ich leise. Leon spannte sich noch mehr an, dann sprang er auf und flüchtete.
„Scheiße!“, murmelte ich und stütze den Kopf in die Hände.
„Das kannst du laut sagen“, sagte Felix und ich schreckte auf. Ich hatte ihn komplett
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