Gebrochen
schon gespannt, was er zu meinem sagen würde. Leon jedoch erstarrte mitten in der Bewegung.
„Nein“, flüsterte er entsetzt. Verblüfft blickte ich ihn an. Seine Muskeln waren zum Zerreißen angespannt, sein Gesicht drückte absolutes Entsetzen aus.
„Du hast es mir versprochen“, flüsterte er, blickte mich panisch an. Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Ich hatte nie gesagt, dass ich ihm etwas schenken würde, doch ich hatte auch nicht das Gegenteil gesagt. Da strömten die Tränen aus seinen Augen und er brach vor meinen Augen in die Knie. Das Gesicht in den Händen vergraben, machte er sich ganz klein.
Entsetzt blickte ich auf ihn hinab. Das konnte nichts mit den Geschenken zu tun haben!
Ich kniete mich hilflos vor ihn.
„Leon?“, fragte ich sanft. Er schluchzte auf. Meine Mutter kam ins Blickfeld, machte Anstalten, sich neben ihn zu knien.
„Nein!“, hielt ich sie schnell auf. Wenn sie ihn jetzt umarmte, würde er komplett ausrasten.
„Geh weg. Bitte“, flehte ich, ohne den Blick von Leon zu nehmen, der unkontrolliert zu zittern begonnen hatte. Ich wagte nicht einmal, meine Hand auf seine Schulter zu legen. Die Hilflosigkeit trieb mir selbst die Tränen in die Augen und ich stand auf. Wut stieg in mir hoch. Unkontrollierte Wut auf seine Eltern, dass sie ihn so fertig gemacht hatten. Ich hatte noch immer keine Ahnung, was ihn so umgehauen hatte. Ich wollte es auch nicht wissen. Meine Eltern sahen mich mit großen Augen an, als ich mich umwandte. Meine Mutter setzte zu einer Frage an, doch ich schüttelte nur den Kopf. Ich griff nach dem Geschenk, das ich für ihn besorgt hatte. Am liebsten würde ich es gegen die nächste Wand werfen, doch das brachte auch nichts. Ich wandte mich wieder Leon zu, der noch immer schluchzend am Boden hockte. Ich kniete mich wieder vor ihn.
„Leon. Warum willst du keine Geschenke?“, fragte ich sanft. Auch wenn ich noch immer nicht glaubte, dass sein Zusammenbruch daher rührte. Aber er hatte nun mal auf diese Aussage reagiert.
Sein Körper bebte vor mir und ich konnte nichts machen. Es war lange her, dass er zusammengebrochen war. Zumindest so schlimm war es schon seit ein paar Wochen nicht mehr gewesen.
„Du hast es versprochen“, murmelte er wieder.
„Was denn?“, wollte ich hilflos wissen. Er sah mich für den Bruchteil einer Sekunde an.
„Das mir hier nichts passiert“, flüsterte er. Er verband Geschenke damit, dass ihm etwas angetan wurde? Vielleicht sollte ich Felix doch noch darum bitten seinem Vater die Nase zu brechen?
„Leon, keiner tut dir hier was“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Ich legte doch noch die Hand auf seine Schulter. Das schien ihn mehr zu beruhigen, als meine Worte. Langsam ließ das Schluchzen nach, doch er zitterte noch immer. Ich konnte nur warten. Wie immer konnte ich ihm nur hilflos zusehen. Währenddessen hörte ich meine Eltern hinter mir tuscheln, doch ich achtete nicht darauf.
Endlich nahm Leon die Hände vom Gesicht. Ohne aufzublicken murmelte er: „Ich will keine Geschenke mehr.“
Ich konnte nur nicken, blickte traurig auf das Paket in meinen Händen. Ich hatte mir vorgestellt, wie er sich freuen würde. Ich hatte mir vorgestellt, dass er mir vielleicht sein so seltenes Lächeln zeigte. Stattdessen hatte ich ihn dazu gebracht, zusammen zu brechen.
„Ist es das?“, fragte er so leise, dass ich es kaum verstand. Ich nickte nur. Ich wollte es wegziehen, doch da griff er danach. Mit zitternden Fingern und nach wie vor immer wieder schluchzend, riss er das Papier weg. Dann öffnete er die Schachtel und blickte hinein. Ich wusste nicht, was er davon hielt, weil ich nicht in sein Gesicht sehen konnte. Ich sah nur die Tränen, die nach wie vor flossen und in die Schachtel tropften.
„Es tut mir leid“, sagte er nach einer Ewigkeit, dann hob er den Blick und sah mich an. Er war von Verzweiflung zerfressen. Ich schluckte den Kloß in meiner Kehle, damit ich überhaupt ein Wort heraus bringen konnte.
„Ist ok“, sagte ich nur. Er beruhigte sich immer mehr, bis er sich ein wenig aufrichtete und nickte. Erleichtert stand ich auf und wollte das Geschenk, das meine Eltern für ihn besorgt hatten, holen.
„Ist er wirklich misshandelt worden?“, raunte da meine Mutter. Entsetzt flog mein Blick zu ihr. Das schien ihr Antwort genug, obwohl mein Entsetzen daher rührte, dass sie es jetzt ansprach. Hektisch fuhr sie fort: „Dann müsst ihr zur Polizei, ...“
„Nein!“, rief Leon panisch. Ich sah meine
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