Gebrochen
sich immer mehr erholte. Zumindest die alltäglichen Sachen, fielen ihm offensichtlich schon leichter.
Als ich ihm erzählt hatte, dass ich Weihnachten bei meinen Eltern wäre, hatte er nur genickt. Als ich ihm erklärt hatte, dass er mitkommen würde, war er nicht sehr begeistert gewesen. Doch ich bestand darauf. Erstens waren meine Eltern mit seinen nicht zu vergleichen und zweitens würde ich ihn gerade an Weihnachten nicht alleine lassen. Meiner Mutter hatte ich auch erst eine Woche vorher Bescheid gesagt, damit sie mich nicht wochenlang damit nerven konnte. Tatsächlich hatte sie mich in der Woche zwei Mal in der Arbeit angerufen – was sie sonst nie machte – um mich auszuquetschen. Allerdings hatte ich immer meine Kollegin gebeten abzuheben und ihr zu sagen, dass ich nicht zu sprechen sei. Gott sei Dank hatte sie nach dem zweiten Mal aufgegeben.
So standen wir also am vierundzwanzigsten vor der Tür meiner Eltern. Was ich meiner Mutter verboten hatte, waren Umarmungen und Verhöre. Ich kannte sie. Zu Weihnachten war sie immer ganz eigenartig drauf und umarmte alle ständig. Das vertrug Leon noch lange nicht. Auch wenn er in meiner Gegenwart mittlerweile immer entspannt war, wenn wir zu Hause waren.
„Alles klar?“, fragte ich Leon. Als er nickte – ziemlich angespannt – klingelte ich. Freudestrahlend öffnete meine Mutter die Türe und schon verschwand ich in ihrer Umarmung.
„Hi Mum“, lächelte ich nachsichtig und schloss meinerseits die Arme um sie. Bevor ich sie losließ, erinnerte ich sie: „Keine Umarmungen bei ihm.“
Sie nickte und ließ mich los.
„Hallo Leon. Freut mich, dich kennen zu lernen“, begrüßte meine Mutter ihn. Ich konnte das neugierige Funkeln in ihren Augen sehen. Leon nickte nur, seine Muskeln waren angespannt. Ich konnte nur hoffen, dass er sich bald entspannte. Vermutlich mutete ich ihm mit meiner Sturheit aber zu viel zu.
Meine Mutter gab die Tür frei und wir folgten ihr ins Wohnzimmer. Als wir eintraten, stockte Leon mitten im Schritt und starrte den Baum an. Ich trat wieder zu ihm, er zitterte am ganzen Körper. Definitiv, das war keine gute Idee gewesen.
„Leon?“, fragte ich leise. Er wandte den Blick kurz zu mir und nickte. Das Zittern hörte auf und er entspannte sich ein wenig. Mein Vater saß schon am Tisch, blickte mich fragend an. Ich schüttelte nur den Kopf und setzte mich. Leon nahm neben mir Platz. Schweigend mit gesenktem Kopf.
Neugierig wie meine Mutter nun mal war, stellte sie die erste Frage, kaum dass wir zu essen begonnen hatten.
„Du arbeitest also als Programmierer?“, wandte sie sich an Leon. Dieser nickte nur, was meine Mutter natürlich nicht zufrieden stellte. Ich hingegen musste mir ein Kichern verkneifen. An Leon würde sie sich die Zähne ausbeißen! Allerdings war das ihm gegenüber unfair.
„Wieso wohnst du bei Nathaniel?“, fragte sie weiter. Leon verkrampfte sich natürlich.
„Mum, keine Verhöre“, tadelte ich sie.
„Man wird doch noch fragen dürfen“, schmollte sie. Ich schüttelte den Kopf.
„In der Arbeit alles ok?“, sprang mein Vater, an mich gewandt, in die Bresche. Erleichtert wandte ich mich dem neuen Gesprächsthema zu. Es würde nicht dabei bleiben. Ich kannte meine Mutter. Sie würde mich noch ausquetschen wollen, warum ich Leon so abschirmte. Doch das war mir egal, wenn es unter vier Augen passierte.
Während der ganzen Zeit sprach Leon kein Wort. Allerdings saß er entspannt da, hob sogar hin und wieder den Blick. Meiner Mutter sah ich genau an, dass sie fast platze, vor Neugier. Ich konnte die Fragen förmlich in ihrem Kopf hören: „Warum redet er nicht?“, „Warum sieht er nicht auf?“, „Warum wohnt er bei Nat?“, „Warum?“, „Warum?“, „Warum?“
Schließlich, wir waren schon beim Kaffee, platze es aus ihr heraus: „Redest du nie?“
Leon hob den Blick zu ihr und sagte: „Doch.“
Dann senkte er den Blick wieder, während ich mir echt mein Lachen verkneifen musste. Als ich dann allerdings den perplexen Gesichtsausdruck meiner Mutter sah, konnte ich nicht mehr. Ich prustete los, mein Vater ebenfalls. Am fassungslosesten allerdings war, dass Leon seinen Ansatz von einem Grinsen zeigte.
Meine Mutter zog einen Schmollmund und stand auf. Ich wusste was kam und stand ebenfalls auf.
„Komm mit“, forderte ich Leon auf. Er stand auf und ging mit mir die wenigen Schritte vor den Baum.
„Was ist?“, fragte er leise.
„Zeit für die Geschenke!“, strahlte ich. Ich war
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