Gebrochen
Mein Vater wollte nicht, dass man mir etwas ansah. Wie hätte ich auch blaue Flecken im Gesicht verstecken sollen? Einzige Ausnahme war natürlich …“
Er brach ab, blickte mich verzeihend an. Ich konnte ihn nur entsetzt ansehen. Dass er tatsächlich so sehr geschlagen worden war, dass er blaue Flecken davon bekam, war wieder so ein Detail, das ich lieber gar nicht hatte wissen wollen. Auch wenn ich das schon gewusst hatte - immerhin hatte ich ihn zu Beginn nackt gesehen - hatte ich es verdrängt. Wie alle Details, die sich mit der Zeit offenbart hatten. Als ob er mich trösten wollte, küsste er mich noch einmal. Das war verkehrt. Eigentlich sollte ich ihn trösten, doch ich wusste nicht, was ich hätte sagen sollen. So ließ ich es lieber bleiben und erwiderte den Kuss liebevoll.
Seither bekam ich jedes Mal, wo er mich zuvor nur so intensiv angesehen hatte, einen seiner sanften Küsse. Die Zunge blieb weiterhin aus dem Spiel. Das war eine Steigerung, die ich mich nicht wagte zu machen.
***
Von Hannes hörte ich zwei Wochen nichts. Ob er noch beleidigt war, weil ich ihn so plötzlich weggeschickt hatte, oder ob er einfach keine Zeit hatte, wusste ich nicht. Ich meldete mich auch nicht bei ihm, denn ich hatte ihm seine Aussage noch nicht verziehen. Leon hatte sich zwar für mich entschieden, doch es war nun mal Hannes Schuld gewesen, dass er erneut zusammen gebrochen war. Nach vierzehn Tagen jedoch, rief seine Freundin an.
„Hi“, meldete ich mich.
„Hi, habt ihr Zeit?“, wollte sie wissen. Zeit hatten wir, aber Lust? Ich blickte zu Leon und sah ihn fragend an. Mit den Lippen formte ich Hannes Namen. Er blickte sofort finster drein, doch er nickte.
„Ja“, sagte ich also ins Telefon.
„Kommt ihr zu uns?“, wollte sie wissen. So zaghaft wie sie klang, wusste sie von Hannes Fehlschlag und war nicht damit einverstanden. Zumindest würde ich sie mal so einschätzen.
„Nein, hier wär mir lieber“, erklärte ich ehrlich. Wenn Hannes wieder so eine blöde Meldung schob, hatte Leon hier wenigstens die Möglichkeit, sich zurück zu ziehen.
„Bis dann“, sagte sie nur und legte auf. Ich blickte zu Leon. Der mich eigenartig ansah.
„Ich hoffe doch, dass er es geschnallt hat“, meinte ich. Leon nickte und sagte: „Ich hab es schon nicht verstanden, wie er es gesagt hat. Ich dachte, er wäre mein Freund.“
„Dafür hast du aber lange gegrübelt“, konnte ich mir nicht verkneifen. Wieder nickte er, bevor er erklärte: „Ich versteh nicht, dass er es überhaupt gesagt hat. Dann war der Zweifel schon gesät.“
Diesmal nickte ich: „Kann ich mir vorstellen. Aber was die Freundschaft betrifft. Das ist der Fall. Ich denke, er meinte es gut. Nur wie er es rüber gebracht hat…“
Ich ließ den Satz offen, denn es war ohnehin schon vorbei und ich wollte keine alten Sachen aufwärmen. Leon wollte auch nichts mehr dazu sagen und wandte sich wieder dem Computer zu.
Nach gut einer halben Stunde kamen die beiden an. Hannes war irgendwie eigenartig drauf, als er ins Wohnzimmer kam. Leon stand auf, nickte ihm grüßend zu und lächelte Monika an, als er sie ebenfalls begrüßte. Sie setzte sich auf Hannes Schoß, als dieser sich gesetzt hatte.
„Ich freu mich total für euch“, platzte es plötzlich aus ihr. Ich fand das total nett und lächelte sie dankbar an. Dann stieß sie Hannes in den Bauch und blickte ihn böse an. Sie schien ihm wohl ins Gewissen geredet zu haben.
„Tut mir leid“, grummelte er in unsere Richtung. Sehr überzeugt klang das nicht und er fuhr auch gleich fort: „Aber es ist nun mal meine Meinung.“
„Aber nicht dein Problem“, erklärte ich ihm. Ich selbst hatte ihm doch schon verziehen, musste ich feststellen. Ich wusste, wie er es gemeint hatte. Er sorgte sich um mich, das hatte er schon immer gemacht.
„Du bist mein Freund. Natürlich ist das auch mein Problem“, konterte er.
„Traust du mir nicht zu, zu wissen, was ich fühle?“, schaltete Leon sich ein. Ich schloss gequält die Augen, denn ich kannte Hannes. Tatsächlich sagte er: „In Anbetracht deiner Vergangenheit? Nein.“
Ich schnappte nach Luft, während Leon sich verspannte.
„Sag mal was ist nur mit dir los?“, fragte ich aufgebracht. Monika blickte ebenfalls entsetzt zu Hannes. Sie hatte in Wirklichkeit keine Ahnung worum es ging. Zumindest nicht von uns. Natürlich war ihr aufgefallen, dass Leon sich verändert hatte. Doch was gewesen war, konnte sie sich höchstens denken.
„Ich will nur
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