Gebrochen
angeblich so gelitten hat?“, meinte Hannes und stand ebenfalls auf. Er sah mich ernst an. Ich war einfach nur entsetzt.
„Es war wesentlich länger. Er hat sich noch immer nicht gefangen“, erklärte ich. Wut stieg in mir auf. Warum konnte er ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Ich hörte die Wohnungstür, doch zu meinem Entsetzen, sprach Hannes einfach weiter: „Das meinte ich, ich glaube, dass er simuliert und dich ausnutzt. Er weiß, was du für ihn empfindest, oder zu empfinden glaubst. Er braucht doch bloß einen Schlafplatz.“
Ich konnte das nicht fassen, wirklich nicht. Ich konnte ihn nur entsetzt anstarren.
„Wenn er wirklich so misshandelt worden ist, wie er dir weiß machen will, dann könnte er doch nicht auf dich zugehen. Ich meine er küsst dich!“, rief er, als müsste das sonnenklar sein.
„Weißt du was? Verpiss dich einfach“, schaltete sich Leon ein. Ich blickte zu ihm, wie er ungerührt im Wohnzimmer stand. Die Einkäufe hatte er noch immer in der Hand.
„Du hast hier gar nichts zu sagen. Das ist immer noch Nats Wohnung“, erklärte Hannes bissig. Tränen stiegen mir in die Augen, vor Wut, aber auch vor Enttäuschung.
„Es ist genauso seine. Hannes, hau ab“, sagte ich tonlos. Er sah mich an und wollte etwas sagen, doch ich schrie ihn an: „Hau ab!“
Er wandte sich ab und ging. Leon trat zur Seite, brachte Abstand zwischen sich und ihn. Eindeutiges Zeichen, dass er ihm nicht traute. Als die Wohnungstür ins Schloss gefallen war, kam er zu mir. Besorgt blickte er mich an. Ich konnte nur hilflos zurück blicken. Was sollte ich sagen? Das ich Hannes nicht glaubte?
Aber Leon selbst war es gewesen, der nach Hannes letztem Fauxpas gesagt hatte: „Da waren die Zweifel schon gesät.“
Leon legte seine Hand an meine Wange, etwas, was er noch nie gemacht hatte. Liebevoll blickte er mich an und küsste mich.
„Vergiss ihn“, sagte er dann sanft. Ich war erleichtert, dass Leon nicht litt unter dem Gehörten. Dass er nicht dachte, dass ich an ihm zweifelte.
„Er war mein Freund“, brachte ich nun den weiteren Grund für meine Tränen vor. Leon nickte und drückte mich wieder aufs Sofa.
„Seit wir drei waren, war er immer mein Freund“, sagte ich weiter. Ich konnte einfach nicht fassen, dass er plötzlich so gemein war. Warum? Warum war er so gegen Leon?
„Es tut mir leid“, sagte er da. Ich blickte zu ihm, betreten sah er mich an.
„Nein, Leon. Dir muss gar nichts leid tun. Er ist der Arsch. Und ich versteh nicht einmal warum!“, sagte ich schnell.
Hilflos blickte er mich an. Ich atmete tief durch und beschloss Hannes zu vergessen. Bis er nicht zu mir kam und sich glaubhaft entschuldigte, dass er so ein Widerling war, brauchte er gar nichts mehr von mir zu wollen. Nicht nur, dass er solche Sachen sagte, hatte er ganz bestimmt mitbekommen, dass Leon herein gekommen war. Er hatte gewollt, dass er es hörte! Wollte er ihn damit verletzten? Oder glaubte er wirklich was er sagte und wollte Leon so dazu bringen, es zuzugeben?
Das war sowas von lächerlich! Simulieren! Er hatte ja nicht gesehen, wie fertig Leon gewesen war und teilweise noch immer war!
„Vergiss ihn“, sagte Leon noch einmal sanft. Ich blickte zu ihm und nickte. Es würde aber nicht so leicht sein.
„Ich hab mich immer auf ihn verlassen können“, sagte ich kläglich. Leon kam zu mir und beugte sich über mich.
„Ich weiß, was es heißt“, erklärte er sanft. Ich blickte in seine Augen. Er war von seinen Eltern verraten worden, was noch wesentlich schlimmer war. Er neigte sich zu mir und küsste mich. Sanft zuerst nur, doch es reichte, dass ich Hannes vergaß. Dann wurde er ein wenig fordernder und legte seine Hand an meine Seite. Spätestens jetzt, hatte ich nur noch ihn im Kopf.
***
Die nächsten Tage verbrachten wir mit angenehmem Nichtstun, oder damit, uns in der Stadt zu vergnügen. Wir gingen essen und ins Kino. Bummeln und sogar einmal ins Theater. Wir genossen einfach die gemeinsame Zeit. Ich genoss sie doppelt, denn Leon kombinierte seine atemberaubenden Küsse nun immer damit, dass er meine Haut liebkoste. Jedesmal hatte ich das Gefühl, dass es ihm leichter fiel und dass er weiter gehen wollte. Die Beherrschung fiel mir jedes Mal schwerer. Nicht, weil mich die Lust übermannt hätte, sondern weil ich ihm dieses schöne Gefühl so gerne zurückgeben würde. Ich würde ihm so gerne zeigen, wie wunderbar es war, wenn man liebkost wurde. Doch ich durfte nicht. Ich musste warten. Warten bis
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