Gebrochene Versprechen
dass Commander Lovitt in seiner weißen Ausgehuniform eine gute Figur machte. Die kurzen silbernen Strähnen in seinem Haar reflektierten das Sonnenlicht, das durch die vier hohen Fenster des Gerichtssaals fiel, und über der linken Brusttasche seiner Uniformjacke standen zahlreiche farbige Bandschnallen in Konkurrenz zueinander. Mit bemerkenswerter Glaubwürdigkeit und ohne eine Sekunde zu zögern, beantwortete er die Fragen des Anklägers.
Captain Bart Garret hatte ihn gut vorbereitet.
Hannah saß in der zweiten Reihe, unmittelbar hinter Jaguars Familie – seiner hübschen blonden Frau und seiner halbwüchsigen Tochter. Eingeklemmt zwischen Luther und Westy, konnte von Beinfreiheit nicht die Rede sein. Generell drängten sich die SEALs auf Seiten der Verteidigung so dicht aneinander, dass es eng wurde.
Die Anklage auf der anderen Seite des Gerichtssaals war indes hauptsächlich durch höherrangige Marineangehörige – Lovitts Kameraden – , sowie Zeitungsreporter und die unauffällige Gattin des Anklägers vertreten, die offenbar erschienen war, um ihren Mann zur Arbeit zu begleiten.
Während Lovitt sein Lügengerüst aufbaute, begann Hannah langsam unruhig zu werden. Nachdem sie nun schon geschlagene zwei Stunden auf dieser harten Bank ausharren musste, schmerzte ihr Rücken. Zudem dominierte derzeit die Anklage die Verhandlungsführung. Ihr erster Zeuge war ein junger SEAL, PO3 Rodriguez, der aussagte, er habe Jaguar am Morgen des neunzehnten August an Bord der USS Nor’easter begleitet. Jaguar sei zunehmend verwirrt gewesen, habe sich schließlich Rodriguez’ Waffe bemächtigt und dem Commander damit in den Unterarm sowie dem Befragten selbst in die Brust geschossen, wobei er nur knapp das Herz verfehlte. Rodriguez war erst vor wenigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden.
Hiernach nahm Commander Lovitt im Zeugenstand Platz und gab eine ganz ähnliche Geschichte zum Besten. Einmal trafen sich sein und Hannahs Blick, doch er schaute sofort wieder weg und geriet, da er anscheinend den Faden verloren hatte, ins Stottern.
»Wovon geplagt?«, fragte Garret in diesem Moment. Mit seinem falkenartigen Gesicht und den endlos langen Beinen hatte er für Hannah Änlichkeit mit einem Storch.
»Von Paranoia«, führte Lovitt aus. »Wir haben doch alle schon von Offizieren gehört, die durchgedreht sind. Je weiter wir auf See hinausfuhren, desto mehr litt Lieutenant Renault an Realitätsverlust. Ich habe ihm deshalb versichert, ich würde das Boot wenden lassen. Doch PO3 Rodriguez ist nervös geworden und fummelte an seiner Waffe herum. In dem Moment hat sich der Lieutenant schließlich auf ihn gestürzt. Ich hab noch versucht, ihn zurückzuhalten, aber da ging die Waffe auch schon los. Die Kugel durchschlug aber nur das Fenster zum Ruderhaus. Da hat sich Lieutenant Renault die Waffe aus Rodriguez’ Hand geschnappt und damit auf mich geschossen. Er traf mich genau hier in den Unterarm.«
»Commander, zeigen Sie dem Gericht bitte freundlicherweise die Verletzung, die Sie davongetragen haben, als Lieutenant Renault auf Sie feuerte.«
Lovitt rollte den Ärmel seines Hemdes nach oben und präsentierte eine verheilende Narbe.
Garret dankte ihm und schaute abschätzig zum Tisch der Verteidigung hinüber, wo Jaguar mit vorgerecktem Kinn stocksteif dasaß. Auf Hannah machte der SEAL alles andere als einen verrückten Eindruck.
»Fahren Sie fort, Commander«, munterte der Ankläger seinen Zeugen auf.
»Also, ich habe danach kurz das Bewusstsein verloren. Als ich wieder zu mir kam, war das Ruderhaus bis auf Rodriguez, der in einer Blutlache lag, verlassen. Ich hielt ihn für tot. Dann hörte ich plötzlich Schüsse über mir aus Richtung Heck. Und in der Luft kreiste ein Hubschrauber. Ich dachte, Gott sei Dank, die Militärpolizei ist da und bändigt Renault endlich, bevor er noch jemanden umbringt.
Aber es war nicht die MP«, fügte Lovitt hinzu und wiegte ernst den Kopf. »Renault hatte seine Kameraden verständigt. Ich weiß nicht, was ihnen erzählt worden ist, aber die Männer haben sich vom Hubschrauber abgeseilt und die Mannschaft beschossen.«
»Wie viele Seeleute waren an diesem Tag an Bord des Patrouillenboots, Commander?«
»Nur drei. Es war ja Sonntag.«
»Haben die Matrosen den SEALs einen Grund zum Feuern gegeben?«
»Natürlich nicht. Die armen Jungs hatten überhaupt keine Chance. Die SEALs hätten sie einfach so niedergemäht, aber dann hat sich Renault meine Waffe gegriffen, eine Pistole
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