Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln
operieren zum einen mit dem, was man soziales Geschlecht nennt, zum anderen mit einem evolutionären Vorteil für die Gruppe. Zur ersten Theorie schreibt die Biologin Joan Roughgarden: „Worin liegt also der evolutionäre Nutzen der Homosexualität? Er ist vielfältig – ähnlich dem unserer Fähigkeit, zu sprechen. Durch gleichgeschlechtlichen Verkehr lassen sich Freude und Vergnügen mitteilen. Außerdem kann Homosexualität, wie wir [bei den Tüpfelhyänen] gesehen haben, ein Dazugehörigkeitsmerkmal sein, das in Gemeinschaften Zugang zu sozialen Gruppen verschafft. In der Evolution entsteht sie, wie ich meine, immer dann, wenn es zwei gleichgeschlechtlichen Partnern Vorteile bringt, sich zusammenzutun: etwa um ihr Überleben zu sichern, Partner zur Fortpflanzung zu finden oder den Nachwuchs zu beschützen.“ 11
Die andere These geht davon aus, dass es für Tiere, die in Gruppen leben, um die Erhaltung des Genpools geht. Alle miteinander verwandten Gruppenmitglieder tragen mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten dieselben Gene. Schwester und Bruder sind genetisch miteinander verwandt, also wenn der homosexuelle Bruder seiner Schwester bei der Brutpflege hilft, hilft er auch einem Teil seiner Gene, die ja in den Neffen und Nichten weiterleben.
Für die „Sippe“ kann es im Sinne einer Gesamt-Fitness günstiger sein, wenn es mehr Gruppenmitglieder gibt, die sich um die Aufzucht der Jungen kümmern, als solche, die sich selber fortpflanzen. Man spricht in diesem Zusammenhang von Verwandtenselektion. Laut den Biologen John Maynard Smith und William D. Hamilton erklärt sie „die Vererbung von kooperativem und ‚altruistischem‘ Verhalten. Wenn Tiere Verwandten dabei helfen, ihre Jungen aufzuziehen, fördert dies die Weitergabe ihres ‚eigenen‘ Erbgutes. Das Ausmaß an altruistischem Verhalten richtet sich nach dem Grad der Verwandtschaft. Je enger Tiere miteinander verwandt sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, durch Verwandtenhilfe ‚eigene‘ Gene in die nächste Generation weiterzugeben, und desto häufiger ist altruistisches Verhalten anzutreffen.“ 12
Homosexualität bei Mensch und Tier ist also alles andere als ungewöhnlich. Trotzdem wird es wohl noch eine Zeit lang dauern, bis Eltern, die ein Baby erwarten, mit glücklichen Augen auf den dicken Bauch der Mutter blickend sagen werden: „Wir hätten gerne einen Buben, und schwul soll er sein.“
FACT BOX | Gay Bomb
Die Sex Bomb oder auch Gay Bomb war ein Vorschlag für ein Chemiewaffenprojekt der US-Streitkräfte. Im Jahr 1994 schlugen Wissenschaftler des Wright Laboratory auf dem Gelände der Patterson Air Force Base in Ohio verschiedene Konzepte für nicht tödliche Chemiewaffen vor. Eine dieser Waffen sollte die Gay Bomb sein.
Das Konzept sah eine Waffe vor, welche die gegnerischen Soldaten in sexuelle Ekstase mit großer Wollust zu sexuellen Handlungen miteinander bringen sollte. Diese offensichtlich nicht mehr kampffähigen Soldaten wären dann leicht zu überwältigen gewesen, ohne sie töten zu müssen. Das Konzept brachte es allerdings nicht über das Stadium eines Gedankenspiels hinaus, da die USA im Jahr 1997 die Chemiewaffenkonvention ratifizierten. Die Akten über die Gay Bomb sind vom Sunshine Project (einer regierungskritischen Organisation in den USA) veröffentlicht worden, nachdem sie durch den Freedom of Information Act als nicht mehr geheim eingestuft wurden. Edward Hammon, ein Sprecher der Gruppe, sagte, er habe viele unsinnige Ideen für neue Waffen in diesen Akten gefunden. Im Jahre 2007 wurde die Studie mit dem Ig Nobel Prize bedacht.
Liebe Schwestern und Schwestern
Was man heute weiß, ist, dass und warum ältere Männer manchmal schwul werden. Also nicht nur besonders aufdringlich und schamlos, wenn sie sturzbesoffen sind, sondern tatsächlich homosexuell. Das weiß man durch die sogenannten Klosterstudien. Bei Klosterstudien denkt man heute eher an polizeiliche Erhebungen wegen sexueller und gewalttätiger Exzesse im katholischen Schutzbefohlenenmilieu, es handelt sich aber um etwas anderes. Im Alter von 20 Jahren sind etwa fünf Prozent der Männer homosexuell. Bei 60-Jährigen sind es 15 bis 20 Prozent. Für die sexuelle Orientierung sind in unserem Gehirn die sogenannten Kerne des Hypothalamus zuständig. Sie entscheiden, ob wir lieber Männer mögen oder Frauen. Die Homosexuellen, die es erst im Alter werden, haben sich aber nicht durch eine Zusatzausbildung qualifiziert, sondern durch ihren
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