Gedankenmörder (German Edition)
treibt sich nie viel in Diskotheken herum.»
Petersen fiel auf, dass die Mutter von ihrer Tochter in der Gegenwart sprach. Von einer neuen Beziehung zu einem Mann oder einer Affäre wusste Christine Lange nichts. Als Petersen nachhakte, ob es sein könne, dass Birgit ihrer Mutter eine Liebesbeziehung verheimlicht habe, reagierte Christine Lange empört.
«Nein, wir sind wie Freundinnen füreinander.» Die Aussagen der Mutter deckten sich weitgehend mit dem Bild, das aus der Auswertung der Tagebücher, Briefe und der E-Mail-Datei von Birgit Lange entstanden war.
Als Petersen das Paar nach einer Stunde verabschiedete, schaute Herbert Lange sie beim Hinausgehen das erste Mal wieder an. «Entschuldigen Sie bitte. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist», sagte der Mann leise.
Petersen betrachtete den Mann voller Mitgefühl. «Ist schon vergessen. Aber mein Kollege Frank Steenhoff wird sicherlich auch noch mit Ihnen sprechen wollen.»
Beide nickten.
«Was ist mit Pepe?», entfuhr es Christine Lange plötzlich. Einen Augenblick wusste Petersen nicht, von wem die Frau sprach. Dann fiel ihr ein, dass Christine Lange den Vogel ihrer Tochter meinte. «Er ist leider tot.»
Die Frau blickte die Kommissarin so entsetzt an, dass Petersen den Eltern beinahe ein zweites Mal ihr Beileid ausgesprochen hätte. «Vermutlich verhungert», log Petersen. «Oder er ist aus Kummer darüber, dass er tagelang allein in der Wohnung war, eingegangen.» Die zweite Todesursache schien Christine Lange besser akzeptieren zu können.
«Ist auch besser so», sagte sie nachdenklich.
«Der kleine Vogel hing ja so an unserer Tochter.»
Petersen begleitete das Paar noch bis vor die Tür des Gebäudes, dann begann sie, ein Protokoll über das Gespräch anzufertigen. Nach einer weiteren Stunde war sie fertig. Danach setzte sie sich in der kleinen Küche der Abteilung Wasser für einen Tee auf. Als sie mit der Kanne in ihr Zimmer zurückkehrte, stand Steenhoff im Raum. In seinen Händen hielt er die abgehängte Pinnwand.
Gereizt fuhr er sie an: «Na, hatten Sie mal wieder das Bedürfnis, etwas von der Wand zu nehmen?»
Einen Moment lang war Petersen sprachlos. Bissig schob Steenhoff hinterher: «Zumindest haben Sie diesmal nicht gleich die halbe Tapete mit abgerissen.»
Mit den Fingerspitzen tastete Steenhoff die Wand nach den zwei tief eingeschlagenen Nägeln ab, um die Pinnwand wieder an ihren alten Platz zu hängen. Petersen fühlte, wie der Zorn in ihr hochstieg. «Birgit Langes Eltern waren heute Morgen hier. Ich wollte ihnen den Anblick ihrer geschändeten Tochter auf den Fotos ersparen», entgegnete sie eisig.
Doch Steenhoff schien gar nicht zuzuhören. «Wieso haben Sie mich nicht benachrichtigt? Es geht nicht, dass Sie als Anfängerin eigenmächtig und allein wichtige Zeugen befragen», wies er sie zurecht.
«Ich habe mich nicht um diese Befragung gerissen», entgegnete Petersen scharf. «Bernd Tewes hat vergeblich versucht, Wessel zu erreichen. Rüttgers war unterwegs, und Ihr Handy war abgeschaltet.» Einen Moment schien Steenhoff irritiert. «Aber doch nur eine knappe Stunde.»
«Ja, genau die Stunde, in der die Eltern hier plötzlich auf der Matte standen. Im Übrigen liegt das Protokoll der Befragung auf Ihrem Schreibtisch. Die Eltern wissen bereits, dass Sie sich noch mal mit ihnen in Verbindung setzen werden.»
Petersen nahm sich ihre Jacke und ging zur Tür. Verwundert schaute Steenhoff ihr hinterher. «Wo wollen Sie denn hin?»
«Essen», antwortete Petersen knapp.
Mit einem lauten Knall fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Steenhoff hatte gerade seine Jacke aufgehängt, als Fabian Block den Kopf zur Tür hineinsteckte.
«Wie geht es Navideh?»
Steenhoff zuckte mit den Schultern. «Keine Ahnung. Wieso fragst du?»
«Ich hatte vorhin den Eindruck, als wäre der Vater des Opfers auf sie losgegangen. Es gab ein ziemliches Geschrei und Gepolter in eurem Büro. Als ich ihr zu Hilfe eilen wollte, hatte sie aber anscheinend alles wieder unter Kontrolle.»
Block sah Steenhoff verwundert an. «Hat sie dir denn gar nichts erzählt?»
«Nein, aber ich werde sie drauf ansprechen. Und jetzt entschuldige mich. Ich muss noch dringend was lesen.»
Block verschwand wieder auf den Flur.
Mühsam gelang es Steenhoff, sich zu beherrschen. Als er seinen Kollegen weit genug weg wähnte, schlug er laut fluchend mit der Faust auf den Tisch. Nicht genug, dass Ira nur noch von Bornholm sprach, tausend Dinge vor ihrer
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