Gedankenmörder (German Edition)
vergangenen Jahren eines Tages vor dem Scherbenhaufen seiner Ehe gestanden.
Er seufzte.
«Du hast recht, Marie. Ich denke so oft, heute komme ich pünktlich nach Hause – und dann klappt es wieder nicht. Wir dürfen uns nicht wieder so aus den Augen verlieren. Was hältst du davon, wenn wir morgen Abend erst zusammen essen gehen und uns dann einen Film anschauen?»
Marie strahlte.
Sie verabredeten, dass Steenhoff Marie am frühen Abend auf der Jugendfarm abholen würde. Über die weiteren Themen während des Essens brauchte sich Steenhoff keine Gedanken zu machen. Marie wirkte wie ausgewechselt. Sie plauderte über ihr Lieblingspferd Scoda, die Clique, die sich mehrmals in der Woche auf der Farm traf, und über den Deutschlehrer, den sie inbrünstig hasste.
Es war schon spät, als Marie anfing, ein Gähnen zu unterdrücken.
«Komm, ab ins Bett. Ich mach die Küche», sagte Steenhoff und fing an, die Teller abzuräumen. Marie protestierte schwach, verschwand aber schließlich dankbar im Badezimmer. Sie hatte schon ihren Schlafanzug an, als sie noch einmal zurückkam, um ihrem Vater einen Gutenachtkuss aufzudrücken.
Steenhoff stellte gerührt fest, dass sie sich schon lange nicht mehr so nah gewesen waren wie an diesem Abend.
«Ich vermisse Mama», sagte Marie, und ihre Stimme klang auf einmal wie die eines Kindes.
«Ich auch», sagte Steenhoff.
«Aber in drei Tagen ist sie wieder hier, und dann lassen wir sie so schnell nicht wieder nach Bornholm, okay?»
Marie nickte, drückte ihrem Vater noch rasch einen zweiten Kuss auf und verschwand in ihrem Zimmer.
Am nächsten Morgen war Steenhoff schon früh wach. In seinem Bauernhaus war es trotz der Hitze noch angenehm kühl. Ihm graute vor den Temperaturen in seinem Büro. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Vielleicht könnten sie für die weiteren Besprechungen das Büro eines Kollegen vom Staatsschutz benutzen. Der Mann hatte vor drei Wochen einen schweren Motorradunfall gehabt und würde so schnell nicht wiederkommen. Sicherlich könnten sie sein Büro ab und an nutzen. Er nahm sich vor, noch am selben Tag mit dem Leiter des Staatsschutzes über diese etwas andere Art von Amtshilfe zu sprechen.
Steenhoff frühstückte mit Marie. Danach setzte er sich ins Auto, um ins Präsidium zu fahren. Er war noch auf dem Grundstück, als sein Handy klingelte.
«Steenhoff.»
«Hallo, mein Schatz. Ich bin’s. Wie geht es euch?» Ira wirkte, als hätte sie gerade mehrere Gläser Sekt getrunken.
Steenhoff, der schon zwei Tage nicht mit seiner Frau gesprochen hatte, freute sich, ihre Stimme zu hören.
«Ich habe gestern versucht, dich anzurufen. Aber du hattest dein Handy wohl abgestellt», sagte Steenhoff und merkte, dass seine Stimme eine Spur vorwurfsvoll klang.
Ira lachte zufrieden auf. «Endlich musst du mal hinter mir hertelefonieren. Ich war bei dem Nachbarn zum Essen eingeladen. Du, ein Traum von einem Haus. Das toppt sogar noch das Ferienhaus, das ich hier vermieten soll. 200 Quadratmeter mit Blick aufs Meer und einem wunderschönen Grundstück drumherum. Das ist fast schon eine Schande, dass nur einer allein drin wohnt.»
Steenhoff hatte Mühe, sich zu beherrschen. Einer allein, hatte sie gesagt. Und seine Frau ebenfalls allein und zudem noch in völlig euphorischer Stimmung.
«Die Leute hier sind wirklich so nett und offen», fuhr Ira fort. «Heute Abend hat mich der Nachbar zu einem kleinen Segeltörn entlang der Küste eingeladen. Ich sag dir, das ist mehr Urlaub als Arbeit hier. Und morgen will er mit mir mal zu den touristisch interessanten Geheimtipps fahren, damit ich für meine Gäste einen spannenden Ausflugsordner zusammenstellen kann.»
Steenhoff unterbrach seine Frau grob. «Dann genieß die Zeit mit deinem Nachbarn. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit und muss los. Vielleicht sprechen wir uns die Tage noch mal in Ruhe.»
Ohne eine Antwort abzuwarten, schaltete er sein Handy ab. Plötzlich war Stille um ihn herum. Seine gute Stimmung vom Morgen war einer bleiernen Gewissheit gewichen: Ira hatte einen anderen. Klar, dass der Typ sie anbaggerte. Ira war noch immer schlank, sportlich und sprühte vor Energie und Lebenslust. Eine attraktive Frau, wie ihm auch schon mancher Kollege anerkennend bestätigt hatte.
Als Steenhoff eine knappe halbe Stunde später auf den Parkplatz des Präsidiums fuhr, registrierte er, dass Petersens Rad noch nicht im Fahrradständer stand. Was hätte er dafür gegeben, heute den ganzen Tag allein zu sein. Aufgewühlt
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