Gefaehrlich begabt
erinnerte sich an den ersten Eindruck. Er konnte gefährlich sein, der letzte Zweifel verabschiedete sich.
»Sebastian!«, empörte sich Marla. »Mach Anna doch nicht noch mehr Angst, sie ist doch ohnehin schon total überfordert!«
»Nein, ist schon okay«, antwortete Anna fest. »Wenn das der einzige Weg ist, lehne ich dankend ab.«
»Siehst du, sie versteht’s.« Sebastian zuckte die Schultern, aber seine Augen musterten sie, als wollte er sichergehen, dass seine Worte keinen Schaden angerichtet hatten.
»Ich denke, du und Jenny geht besser ins Wohnzimmer weiterfrühstücken, ihr stört hier nur.«
Das Grinsen zurück auf den Lippen erhob sich Sebastian bei Marlas Worten. »Bis später.«
»Jenny?« Marla sprach ihre Tochter streng an.
»Aber ich hab doch überhaupt nichts gemacht!« Trotzig richtete sich Jenny auf, sie wusste wohl, dass Marla keinen Widerspruch duldete.
»So, schon besser.« Marla lächelte ihr zu und nickte. »Also, zu deiner Frage. Man kann ein Talent nicht weitergeben. Das ist erst nach dem Tod möglich. Der Beirat kann einem die Gabe entziehen, aber dies tut er nur, wenn das Gesetz grob verletzt wurde. Er wird dir deine Gabe nicht nehmen, selbst wenn du ihn bittest. Sie respektieren den Wunsch des Verstorbenen.«
»Und wenn ich das Gesetz breche?« Beinah jeder Fehltritt wäre ihr recht, um diese entsetzliche Fähigkeit loszuwerden.
»Glaub mir, das möchtest du nicht. Die einzigen Verstöße, bei denen sie dir dein Talent wegnehmen würden, wären ein Mord oder eine wirklich schwere Körperverletzung.«
Anna schluckte. »O Gott …«
Mehr als einmal hatte sie Sally in Gedanken bereits den Hals umdrehen wollen, aber natürlich meinte sie das nicht wörtlich. Anna tat keiner Fliege etwas zuleide und trug selbst die dicksten Spinnen in einem Glas nach draußen, wenn sie sich in ihr Zimmer verliefen.
»Siehst du. Also wird dir keine Wahl bleiben. Du musst die Dinge lernen.«
»Und du kannst mir dabei helfen?«
»Ich bin zwar eine Hexe, aber ich weiß, wie ein Medium funktioniert. Also ja, ich schätze, ich kann dir helfen.«
Mit einem Schlag erinnerte Marla sie an ihre Mutter. Ihr Gesicht verzog sich oft auf dieselbe Weise. Der Blick, der so viel hieß wie: Ich hab’s dir ja schon vorher gesagt und hier ist der Beweis.
8. Kapitel
Hexengeflüster
M arla verdonnerte Jenny und Sebastian zum Abwaschen. Anna folgte ihr nach draußen auf die Terrasse. Das Lächeln, das der Empath ihr beim Verlassen der Küche zugeworfen hatte, ließ sie jetzt noch kleine Herzchen sehen. Also doch rosa …
Die Gartenveranda schien das Zentrum des alten Resthofs zu sein, jemand hatte sie liebevoll gestaltet. Vermutlich Marla, ihr Stil ließ sich bestimmt hier einordnen. Die rustikalen Rattansessel passten zum Flair des Hauses. Der Ausblick verlief sich in einer Unendlichkeit aus Feldern, die Sonne küsste die Wiesen mit ihren gelben Strahlen. Für einen Moment fühlte sich Anna wehmütig in den Norden versetzt und sie verliebte sich zum zweiten Mal an diesem Tag. Diesmal in Marlas Zuhause.
»Also, was weißt du über die Talente?«, riss Marla sie aus ihren Gedanken.
Anna zuckte die Achseln. »Nicht sehr viel. Ich weiß, dass es übernatürliche Begabungen gibt, die mittels eines Testaments nach dem Tod auf andere übertragen werden können. Irgendein Rechtsbeirat ist für die Gesetze der magischen Welt zuständig. Es gibt viele unterschiedliche Talente, aber ich bin sicher, ich kenne bloß einen Bruchteil.«
»Das ist doch schon eine ganze Menge.« Marla schenkte ihr ein zuversichtliches Lächeln. »Kennst du die Geschichte, wo unsere Begabungen herstammen sollen?«
Über den Ursprung der Talente hatte sich Anna noch keine Gedanken gemacht, jede Idee hätte ja doch wie ein Märchen geklungen. »Nein, ich kenne sie nicht.«
»Möchtest du sie hören?«
Sie nickte und einige Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht. »Sehr gern.«
»Also …« Marla rutschte ein Stück näher an den Tisch heran. »Vor sehr langer Zeit schickte Gott einen Boten auf die Erde. Es waren schlimme Jahre und überall auf der Welt herrschten Hunger und Not. Diverse Seuchen durchquerten die Länder und sehr viele Menschen starben. Gottes Bote hatte den Auftrag, ein paar mutige und hilfsbereite Leute auszuerwählen. Es sollten Menschen sein, die mit reinem Herzen dazu bereit waren, selbstlos Hilfe zu leisten. Es dauerte ein paar Jahre, aber der Bote wurde fündig. Sieben Männer hatte er aufgespürt, die alles geben
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