Gefaehrlich begabt
sie hinsehen sollte, seinem Blick hielt sie nicht länger stand. Gott sei Dank vernahm sie eine Stimme aus dem Flur.
»Was gibt’s denn hier zu lachen?« Marla erschien im Türrahmen, Anna hatte sie nicht vorfahren hören.
»Nichts«, antwortete Sebastian knapp und zwinkerte Anna zu.
»Hi«, begrüßte Anna die Hexe. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, dass sie nicht länger mit Sebastian allein sein musste.
»Schön, dich zu sehen, Anna.«
Marla legte die Brötchentüte auf den Tisch und schloss sie kurz in die Arme. In dieser Geste lag so viel Wärme, wie Anna es nicht für möglich gehalten hatte. Wieso kam ihr die Fremde so seltsam vertraut vor?
»Deckst du den Tisch?«, fragte die zierliche Frau in Sebastians Richtung, der ihr bereits eine Kaffeetasse zuschob. Marla setzte sich auf einen Stuhl. »Was ist passiert?«
Anna wollte gerade mit den Geschehnissen der vergangenen Nacht beginnen, als ein Mädchen im Schlafanzug die Küche betrat. Sie war ein paar Jahre jünger als Anna, und obwohl sie rotes Haar hatte, ähnelte sie Marla verblüffend.
»Morgen«, nuschelte sie gähnend und streckte sich.
»Anna, das ist meine Tochter Jenny.«
»Guten Morgen«, sagte Anna.
»Du bist das Medium?«, fragte Jenny. Jeder in diesem Haus wusste das offensichtlich, Marla musste sie groß angekündigt haben.
»Ich schätze schon.«
»Ich hab mir dich ganz anders vorgestellt, irgendwie düsterer. So als Totenbeschwörerin solltest du Angst einflößender sein. Aber du bist hübsch, sogar Sebastian starrt dich an.«
Schnell wandte Anna den Blick ab. Die Worte ließen ihr Herz hüpfen.
Jenny setzte sich an den Tisch und zuckte die Achseln. »Alles locker.« Sie grinste, als sie Annas Unbehagen bemerkte.
Die Frühstücksgemeinde griff nach den Brötchen, nur Anna war der Appetit vergangen. Noch immer flatterten ungefähr hundert Schmetterlinge in ihrem Bauch herum und veranstalteten eine Party.
»Erzähl mir, was geschehen ist«, bat Marla.
Sie hatte schon wieder beinahe vergessen, was der Grund ihres Besuches war. »Meine Tante ist mir erschienen und sie war wütend. Sie hat mir richtig Angst gemacht, sie wollte meinen Körper.« Die Erinnerung an die vergangene Nacht ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
»Ich dachte mir, dass etwas Ähnliches passiert.« Marla klang wenig überrascht.
»Ja?« Anna zog eine Augenbraue hoch.
»Mit Rachegeistern ist nicht zu spaßen. Eva war eine sehr starke Persönlichkeit, ihre Seele wird den Mord nicht auf sich sitzen lassen wollen.«
»Was kann ich tun, damit das nicht noch mal passiert?« Über den Ausdruck Rachegeist versuchte sie, nicht nachzudenken, er klang gefährlich.
»Salz«, fiel Sebastian ein.
Fragend blickte sie ihn an. »Salz?« Woher wusste der Empath, wie man sich Geister vom Hals hielt?
Er nickte. »Salz hält böse gesinnte Geister fern.«
»Du solltest, solange du dein Talent nicht kontrollieren kannst, immer Salz bei dir tragen. Später benötigst du es nicht mehr«, erklärte Marla.
»Heißt das, ich soll mir jetzt ein Päckchen Salz in die Tasche stecken?«
Marla und Sebastian tauschten einen Blick. Der Empath knotete sich ein Lederband vom Hals, der Anhänger stellte ein kleines Kreuz dar.
»Darf ich?«, fragte er. Er kam um den Tisch herum und stellte sich hinter sie.
Eine Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus und sein warmer Atem im Nacken bewirkte, dass sich ihre Kopfhaut zusammenzog. Sie schloss die Augen, als er das schwarze Band um ihren Hals legte. Ihr Herz klopfte arrhythmisch und setzte sogar ein paar Schläge aus. Seine kalten Finger am Hals jagten ihr einen Schauder über den Rücken. Sie seufzte leise auf, ohne es zu wollen. Als sie die Augen öffnete, saß Sebastian längst wieder am Tisch. Er vergrub das Grinsen in seiner Kaffeetasse.
Anna riss sich zusammen und wandte sich Marla zu, aber auch die Hexe hatte ein unterdrücktes Lachen auf den Lippen.
»O Mann, das ist ja gruselig. Ich revidiere meine Meinung, du bist Angst einflößend«, sagte Jenny am Ende des Tisches und blies die Wangen auf.
Na, super, selbst dem Mädchen fiel auf, wie bescheuert sie sich benahm.
»Das Kreuz ist aus Salzteig, nimm es nicht ab«, erklärte Marla und lächelte.
»Gibt es eine Möglichkeit, dieses Talent wegzugeben?«, fragte Anna. Sie zerbrach sich schon die ganze Zeit den Kopf darüber.
Marla schüttelte den Kopf, doch Sebastian antwortete an ihrer Stelle. »Klar, du könntest sterben.«
Seine Stimme klang plötzlich kalt und sie
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