Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
Vom Netzwerk:
fernen Punkt über dem Wasser. Der Rhein lag ruhig vor ihnen, in sanften Wellen floss er in Stromrichtung.
    Sie blickte zum Himmel. »Nein, ich sehe sie nicht.«
    Plötzlich war der Kapitän verschwunden. Ihr Blick glitt über das Ufer. »Wo ist er hin?«
    Sebastian öffnete den Mund, da sauste ein Vogel mit spitzem Schnabel auf sie herab. Anna erschrak und ließ sich ins Gras fallen. Das Tier streifte sie im Vorbeifliegen. Sie duckte den Kopf und sah, dass Grasflecke ihre Hose übersäten. Rasch richtete sie den Blick wieder nach oben. Die Möwe riss die Flügel hoch und bewegte sich in die Lüfte.
    »Ist das …?«, fragte sie, aber ihre Stimme versagte im Satz.
    »Ja, das ist er. Wahnsinn, oder? Kannst du dir vorstellen, wie frei er sich fühlen muss?«
    Sebastian zog sie auf die Beine und umfasste erneut ihre Hand. Ihr fiel auf, wie perfekt sie in seine passte. Ihr Körper kribbelte. Sie liefen am Ufer entlang und beobachteten den Himmel. Es fiel ihr schwer, sich auf den Vogel zu konzentrieren. Ihre Hand lag sicher in seiner und sie warf heimlich ein paar Blicke darauf.
    Die Möwe gab sich inzwischen ihrer Laune hin und segelte mit dem Wind über den Fluss. Sie trieb von links nach rechts, verlor an Höhe, stieg wieder auf und schlug Loopings. Nach wenigen Minuten verschwand der Vogel in einem naheliegenden Waldstück.
    Sie gingen dem Kapitän entgegen. Er humpelte bereits hinter den Bäumen hervor.
    »Das war unglaublich«, rief sie.
    Der alte Mann lehnte sich gegen einen Baum. Sein Brustkorb hob und senkte sich schwer, sein Atem rasselte. Er wirkte total verausgabt. Sebastian ließ sie los, eilte zu ihm hinüber und half ihm, sich auf den Boden zu setzen.
    »Anna! Lauf und hol was zu trinken vom Boot.«
    Doch der Kapitän schüttelte energisch den Kopf. Er griff in seine Tasche und beförderte einen Flachmann zutage.
    »Du bist unverbesserlich«, schimpfte Sebastian.
    Er trank gierig aus der Blechflasche. Sein Atem rasselte immer noch, als er sie absetzte. Trotzdem richtete er sich auf.
    Sebastian griff ihm stützend unter die Arme. In langsamen Schritten gingen sie zurück zum Hausboot.
    Allmählich erholte sich der Kapitän, sein erhitztes Gesicht entspannte sich. »Von hier aus schaffe ich es allein«, sagte er.
    »Pass auf dich auf, mein Freund«, verabschiedete sich Sebastian und klopfte ihm auf die Schulter.
    Anna schüttelte seine Hand.
    »Kommt wieder, ja?«
    »Natürlich. Gern«, antwortete sie und wandte sich ab, um Sebastian zum Wagen zu folgen.
    Seine Hand suchte ihre, obwohl sie nur ein paar Schritte zum Auto liefen. »Und?«, fragte er, nachdem sie eingestiegen waren.
    »Danke.«
    »Danke? Das ist alles, was dir dazu einfällt?« Er blickte sie abschätzend an.
    Anna schmolz dahin. Sie versuchte, seine Augenfarbe einzuordnen. Es gab nichts, was sie vergleichbar schön empfand. »Wieso tust du das?«
    »Wieso tue ich was?«
    »Warum bist du so nett zu mir?«
    Feine Grübchen umspielten seine Lippen und seine Augen blitzten auf. Ihn umgab stets die Aura der Überlegenheit, seine Präsenz wirkte einschüchternd. »Nun, es ist durchaus möglich, dass ich dich genauso gern hab wie du mich.«
    »Und woher weißt du, dass ich dich gern hab?« Eine dumme Frage angesichts der Tatsache, dass er eine Empathengabe besaß. Aber sie wollte es hören.
    Er zuckte die Schultern und sah plötzlich traurig aus.
    »Ich muss das erst mal verarbeiten«, lenkte Anna vom Thema ab. Ihr gefiel seine Miene nicht.
    »Gut, dann spar ich mir die Gesangseinlage.«
    Sie lachte auf. »Nochmals danke.«
    »Zu Marla?«, fragte er, als er den Wagen startete.
    »Zu Marla.«

13. Kapitel
    Schattengespräch
    S ebastian setzte Anna bei Marla ab und bremste den Wagen ein paar Hundert Meter weiter ab. Seine Gefühle überschlugen sich und verhinderten, einen klaren Gedanken zustande zu bringen. Diese Empathengabe raubte ihm noch den letzten Verstand. Ihre Gefühle zu empfangen trieb ihn in den Wahnsinn. Es waren schöne Gefühle, aber wo ließen sie sich einordnen? Er erinnerte sich nicht, jemals etwas Ähnliches empfunden zu haben.
    Jedes Mal, wenn sie ihn ansah, begann ihr Herz schneller zu schlagen und ein Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus. All das geschah auch mit ihm, denn er spürte schließlich, was mit ihr passierte. Es gab Momente, in denen er die Emotionen nicht auseinanderhielt. In denen er nicht unterschied, was er fühlte oder was sie. Sie verschmolzen einfach.
    Aber sein Empfinden kam ihm lächerlich vor, denn

Weitere Kostenlose Bücher