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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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immer ans Telefon. Eine verschlafene Stimme meldete sich.
    »Hier ist Marla Cole aus Deutschland und ich bitte in einer wichtigen Angelegenheit um eine kurzfristige Anhörung.«
    »Sie können für nächste Woche einen Termin …«
    »Nein! Ich kann nicht auf einen Termin warten. Ich reise nach London, jetzt.«

    *
    Anna lag aufgewühlt im Bett. Sally und Paps schliefen bereits. Es interessierte sie nicht, dass Anna spät nach Hause kam, denn sie hatten andere Dinge im Kopf – ihre Hochzeit. Unter normalen Umständen freute es sie, tun und lassen zu können, was sie wollte, aber heute hatte sie darauf gehofft, Sally ein paar Fragen stellen zu können. Nun würde sie sich gedulden müssen.
    Sie wälzte sich von links nach rechts. Ob es Sebastian gut ging? Und Marla? Was war in die beiden gefahren? Ihr Verhalten ergab einfach keinen Sinn. Unvorstellbar, am nächsten Tag dem Alltag nachzukommen. Die Schule strich sie schon einmal aus ihren Gedanken. Ob sie überhaupt noch mal hingehen sollte? Vermutlich nicht.
    Versuch neunundneunzig schlug fehl, auf den hundertsten ließ sie es nicht ankommen. Sie warf die Decke zur Seite und gab es auf, die Gedanken auszuschalten. Auf leisen Füßen schlich sie zum Schreibtisch. Vielleicht kamen ihr ein paar Ideen, wenn sie noch einmal tiefer in sich ging. Sie fischte einen Notizblock aus einer Schublade und schrieb zunächst TÖDLICHES WISSEN auf die halbe Seite. Hoffentlich erinnerte sie sich richtig. Der Stein hatte ein ziemliches Tempo an den Tag gelegt. Das nächste Wort ergab einfach keinen Sinn.
    FINGERLES. Ein seltsames Wort. Was sollte das bedeuten? Sie fügte ein weiteres S hinten an.
    FINGERLESS.
    Fingerlos? Anna erinnerte sich, dass Eva nach der Ermordung ein Finger fehlte. Ein Schauder überlief sie, als sie an den Anblick zurückdachte. Aber wie sollte ihr das weiterhelfen und weshalb hatte Eva ihnen die Antwort auf Englisch zukommen lassen?
    Sie massierte die Stirn in der Hoffnung, die Hirnzellen zur Arbeit zu motivieren. Eine logische Erklärung fiel ihr nicht ein. Warum versetzte das Wort Marla in Panik? Was wusste die Hexe, was sie nicht wusste? Fragen über Fragen. Vielleicht konnte ihr das Internet weiterhelfen, Google hatte schließlich auf fast alles eine Antwort.
    Anna fuhr den Computer hoch. Plötzlich zuckte sie fürchterlich zusammen. Ein Klacken!
    Ihr Blick glitt durchs Zimmer, das Geräusch kam aus nächster Nähe. »Anna, du leidest schon an Verfolgungswahn«, flüsterte sie vor sich hin.
    Klick-Klack.
    Das Fenster! Jemand warf Steinchen dagegen!
    Ihr Herz trommelte gegen den Brustkorb. Wenn das so weiterging, brauchte sie einen Herzschrittmacher, bevor sie die zwanzig erreichte. Ihre Knie glichen denen einer Gummipuppe. Mit zittrigen Händen schob sie den Fensterriegel zur Seite. Vorsichtig streckte sie den Kopf hinaus. Die Straße lag verlassen und dunkel unter ihr.
    »Hallo?«, rief sie hinaus in die Nacht.
    »Ich bin’s.« Sebastian klang verweint.
    Sie atmete auf und der Stein, der seit dem Dämonenangriff schwer auf ihrer Brust gelegen hatte, ließ einen Teil seiner Last vom Herzen gleiten. »Ich komme runter.«
    Die Nächte begannen kühl zu werden, also griff Anna nach einer Jacke. In Jogginghose schlüpfte sie eilig in die Sneakers und steckte den Zettel mit Evas Antwort in die Tasche. Vielleicht fiel Sebastian mehr dazu ein?
    Als Anna die Haustür ins Schloss zog, fiel ihr auf, dass sie den Schlüssel vergessen hatte. Sei es drum!
    Sebastian wartete gleich vor dem Haus und sein Anblick versetzte ihrem Herzen einen Stich. Dem sonst anmutigen Schönling stand die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Seine Körperspannung hatte sich in Luft aufgelöst. Er wirkte wie ein Häufchen Elend.
    »Was ist passiert?« Sie blickte ihn an und trat von einem Bein aufs andere.
    Sebastian schluchzte und zog sie sanft in die Arme. Ihr Herz vergaß, einen Salto zu schlagen. Er vergrub sein Gesicht tief in ihren Haaren. Sein Atem auf ihrer Kopfhaut bereitete eine Gänsehaut. Sacht strich sie ihm über die starke Schulter.
    »Du musst es mir sagen. Ist was mit Marla?«
    Er löste sich von ihr und schüttelte zaghaft den Kopf. Sein Gesicht wirkte unsagbar traurig. »Ich will dir was zeigen«, sagte er mit schwacher Stimme. Er schloss seine Hand um ihre.
    »Sebastian, es ist mitten in der Nacht. Du hast eben noch mit einem Dämon gekämpft und bist spurlos verschwunden. Marla führt sich total panisch auf und jetzt willst du mir was zeigen? Gott, was ist denn los?

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