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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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liebevoll hergerichtet. Sally hatte es irgendwie geschafft, die Wahl der Hochzeitskleidung auf die Dekoration abzustimmen. Vor den zehn Holzbänken standen zwei große Tische mit lila Decken und Blumengestecken. Sie ging an den Bänken entlang, um ihren Platz neben Sally einzunehmen. Ein junger Arbeitskollege hielt als Trauzeuge ihres Vaters her und hatte sich bereits neben ihm eingefunden. Plötzlich tauchte eine Gestalt neben ihr auf.
    »Entschuldige, ich hab’s nicht eher geschafft.«
    Annas Herz nahm unweigerlich ein rascheres Tempo auf, als sie in seine Augen blickte.
    Sebastian sah einfach traumhaft aus. Der maßgeschneiderte Anzug saß perfekt an seinem Körper. Der sanfte Grauton stand ihm ausgezeichnet. Sallys hochnäsige Freundinnen warfen ein paar vielsagende Blicke auf ihn. Anna legte die Stirn in Falten. Er schuldete ihr Antworten.
    »Später«, flüsterte er und schob sie weiter nach vorn. Er setzte sich auf die hinterste Bank.
    Wo war er die ganze Zeit gewesen? Er tauchte mit Absicht so spät auf, damit sie keine Fragen stellen konnte. Ein geschickter Schachzug. Ihre Gedanken schweiften ab. Nur zwischenzeitlich bekam sie etwas von der Rede des Standesbeamten mit, einige Lacher rissen sie aus ihrer Starre. Ihr Blick blieb auf Sebastian gerichtet.
    Sein Gesichtsausdruck wirkte trotz des Anlasses ernst. Er sah nachdenklich nach vorn. Ihr Herz zog sich zusammen und sie fragte sich, was der Trottel hinter dem Schreibtisch eigentlich so lange zu erzählen hatte? Irgendwas stimmte nicht.
    »Anna, die Ringe?«
    Anna erschrak und reichte ihrem Vater die Schmuckdose.
    Der Kuss des Paares beendete den Spuk endlich. Sie kritzelten Unterschriften auf ein paar Zettel und Anna stürmte als Erste zum Ausgang.
    »Du schuldest mir eine Erklärung«, sagte sie spitz. Sie beherrschte sich, ihn nicht anzufahren. Er hatte sie allein auf dem Dach sitzen lassen. Seine Absichten taten nichts zur Sache.
    »Anna, bitte nicht jetzt. Es ist die Hochzeit deines Vaters …« Er versuchte, ein Lächeln auf die Lippen zu legen.
    Die ungewöhnliche Farbe seiner Iris besänftigte sie sofort, aber sie ließ es sich nicht anmerken. »Und wenn der Papst persönlich heiraten würde und ich die Brautjungfer spielen sollte, wäre es mir egal«, sagte sie schon weniger scharf. Plötzlich lachte Sebastian. »Der Papst? Anna, katholische Geistliche …«
    »Jaja, ist auch egal. Ich bin fast von dem Dach geflogen.« So einfach fiel sie nicht auf sein Ablenkungsmanöver herein. Nicht diesmal und schon gar nicht so offensichtlich.
    Das frisch vermählte Paar unterbrach ihr Gespräch, indem es an ihnen vorbeizog. Sebastian beglückwünschte sie.
    »Du fährst mit mir«, sagte er und deutete auf seinen Wagen.
    Anna rollte die Augen. Wieso zum Teufel war er so stur? »Du bist mir Antworten schuldig.« Sie stieg in den Audi.
    »So? Wie kommst du darauf?«
    »Weil du mich einfach auf dem Dach zurückgelassen hast, mitten in der Nacht. Und das, nachdem du mich geküsst hast und mir sowieso schon ganz schwummerig war.«
    »Dir war schwummerig?« Er lächelte sein Sebastianlächeln.
    Anna errötete. Soviel zu ihren Vorsätzen, standhaft zu bleiben.
    »Möchtest du, dass ich es noch mal tue?«
    »Was?«
    »Das«, grinste er und drückte seine Lippen auf ihre.
    Anna stieß ihn weg. »Schau gefälligst auf die Fahrbahn.« Ihre Worte klangen hart, aber sie musste auch hart bleiben, denn sonst erfuhr sie sicherlich nichts von ihm. Er warf ihr einen verletzten Blick zu und sah stur auf die Straße.
    »Was ist mit Marla?«
    »Das sag ich dir nach der Feier.«
    »Also ist etwas mit ihr?« Sie hatte es gewusst.
    Seine Lippen blieben versiegelt.
    »Wenn du mir jetzt nicht sofort sagst, was passiert ist, steige ich aus.« Ihre Hand glitt zur Wagentür.
    »Körperlich ist sie wohlauf«, brachte Sebastian zähneknirschend hervor.
    »Körperlich?« Die Antwort beruhigte sie ganz und gar nicht.
    »Sie wurde angegriffen«, sagte er mit leiser Stimme, die aufgesetzte Fassade rutschte von seinem Gesicht.
    »Wie angegriffen?« Annas Augen füllten sich mit Tränen. Eigentlich wollte sie die Antwort nicht hören.
    »Sie hat einen starken Gedächtnisverlust erlitten, sie weiß nicht, was passiert ist. Ich habe sie bewusstlos zu Hause vorgefunden, nachdem ich vom Dach verschwunden bin.«
    »Sie kann sich an nichts erinnern?«
    Sebastian nickte. »Um ehrlich zu sein, weiß sie nicht mal mehr ihren Namen.«
    Angst arbeitete sich mit jedem Herzschlag weiter durch ihren Körper.

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