Gefaehrlich begabt
wie immer. Nichts deutete darauf hin, dass drinnen vermutlich das Chaos herrschte. Plötzlich befiel sie Angst, reinzugehen. Aber sie musste wissen, wie es Marla ging. Sie sprang über ihren Schatten und klopfte an die Tür.
Eine freundlich blickende Frau öffnete. Nur ein paar vereinzelte graue Strähnen in der dunklen Mähne verrieten, dass es sich um Franks Mutter handeln könnte. Sie sah jung aus. Mit wachsamem Blick sah sie über ihre Brille hinweg.
»Mein Name ist Anna und ich möchte gern Marla besuchen.«
»Zurzeit ist es etwas ungünstig, Marla …«, begann die hochgewachsene Frau.
»Ich weiß. Deshalb bin ich hier. Bitte, ich muss sehen, dass es ihr gut geht.«
Die Frau nickte und trat zur Seite. Anna hörte Jenny in der Küche sprechen, und eilte zu ihr. Sie saß mit Marla am Küchentisch und blickte kurz auf, als sie den Raum betrat.
»Hi«, sagte Anna.
Jenny stieß ein ärgerliches »Pst« aus. »Sie muss sich konzentrieren.«
Anna biss sich auf die Unterlippe, sie traute ihren Augen nicht. Marla sah vertieft auf ein Memory Spiel, unschlüssig hielt sie ein Plättchen und bestaunte es. Ihr Herz verflüssigte sich. Für einen Moment vergaß sie, weiter sauer auf Sebastian zu sein. »O Gott, Marla!«
Sie trat näher und die Hexe zuckte zusammen.
»Meint sie mich?«, fragte sie mit ängstlicher Stimme. Sie fixierte Anna mit großen Augen. »Wer ist diese Person?«
Jenny griff nach ihrer Hand. »Das ist Anna, Mama. Unsere Freundin. Es ist alles in Ordnung.«
Marlas Blick veränderte sich. »Oh, hallo Anna. Sieh mal, jemand hat mir einen Stern auf die Stirn tätowiert. So kann ich mich doch unmöglich auf die Straße trauen.« Sie klang anders als sonst, fast kindlich.
»Marla!« Anna zog ihre Freundin in die Arme. »Mach dir keine Sorgen. Der Stern sieht wunderschön aus.« Ihr stiegen Tränen in die Augen und sie streichelte Marla über den Kopf. Marla schluchzte auf.
Jenny löste ihre Mutter aus dem Griff. »Mama? Oma wird mit dir weiterspielen, ich muss etwas mit Anna besprechen.«
»Okay, wenn du das sagst.«
Jenny deutete aufs Wohnzimmer und Anna folgte ihr.
»Du darfst sie nicht aufregen«, sagte Jenny. »Es war schlimmer, am Anfang wusste sie nicht einmal, wie man eine Gabel in der Hand hält. Wir hatten Angst, dass sie jemandem ein Auge aussticht.«
»Wie konnte das passieren?«
»Wir hatten einen Heiler hier, aber der konnte nichts machen. Er sagte, es sei ein Magierfluch und nur ein Magier kann ihn auch aufheben.«
Jenny wirkte gefasst und stark für ihr Alter. Mit ihren vierzehn Jahren schien sie reifer zu sein, als Anna es in dieser Situation gewesen wäre. Sie verspürte das Bedürfnis, sie in die Arme zu schließen, aber vielleicht verlor Jenny dann die Fassung.
»Ich werde euch helfen«, sprudelte es aus ihr hinaus.
Jenny lächelte schwach. »Du kannst uns nicht helfen.«
»Habt ihr schon den Beirat kontaktiert?«
»Ja, Oma hat es ein paar Mal versucht. Aber du wirst nicht glauben was sie geantwortet haben …«
Fragend blickte sie Jenny an.
»Sie sagten, so etwas würde passieren, wenn Hexen zu viel mit ihren Kräutern experimentieren würden und fragten, warum immer alle gleich von Magierflüchen sprechen würden. Sie halten uns für paranoid.«
»Gib mir die Nummer«, antwortete Anna. Die Wut in ihrem Bauch flammte auf, das Ventil kam ihr gerade recht.
»Das wird nichts bringen«, sagte Jenny traurig.
»Das werden wir ja sehen.«
Jenny zuckte die Schultern und ging zum Wohnzimmerschrank. Mit zittrigen Fingern gab sie ihr das Notizbuch. Es kostete sie sichtlich Anstrengung, ihre Fassade aufrecht zu halten.
Anna blätterte durch die Seiten und fand gleich zu Anfang die gewünschte Nummer. Sie hämmerte die Zahlen in das Display. Die konnten sich auf was gefasst machen!
»Ja, bitte?«
»Spreche ich mit dem RFBM?« Ihre Stimme strotzte vor Autorität. So kannte sie sich nicht.
»Ja, mein Name ist Robert Pearson. Mit wem habe ich das Vergnügen?« Der Akzent ließ ihn sehr langsam sprechen.
Anna verlor die Geduld. »Mein Name ist Anna Graf, und wenn sie nicht in der Lage sind, uns zu helfen, werde ich es auf meine Art versuchen.«
»Junge Frau, wovon sprechen Sie?«
Jenny sah sie hoffnungsvoll an, so viel Biss hatte sie ihr vermutlich nicht zugetraut.
»Die Fingerless sind zurück, sie haben bereits gemordet.«
Einen Moment blieb es still in der Leitung. »Wie kommen Sie zu dieser haarsträubenden Annahme?« Der Mann klang verunsichert.
»Weil meiner
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