Gefaehrlich begabt
sie. Dein kleiner Engel hat Angst um dich. Ist das nicht rührend?«
Sebastian nutzte das Überraschungsmoment und griff an. Mit atemberaubender Schnelligkeit stürmte er vor und riss die verdutzte Kira zu Boden. Anna erkannte, wie viel Kraft er besaß.
Kira stöhnte auf, bevor sie gezielt zutrat. Sie schleuderte Sebastian gegen den nächsten Baum. Anna wünschte, die Augen schließen zu können. Sie wollte das nicht mit ansehen. Aber ihr Körper gehorchte nicht. Sie musste wie erstarrt beobachten, was geschah.
Der kleine Wald mutierte zu einer Arena.
Sebastian berappelte sich, noch im Aufsprung entfuhr ihm ein Fluch. Der schwache, grüne Lichtstrahl ließ sich nur schwer erkennen. Aber er traf und zauberte Kira einen klaffenden Riss quer über die linke Körperhälfte. Er blutete stark.
Kira setzte zur Gegenwehr an. Eine gelbe Rauchschwade wirbelte zu Sebastian herüber, raubte ihm buchstäblich den Atem, doch er schaffte es, ihn abzuschütteln. Eine bläuliche Rauchwolke riss Kira in die Luft. Sebastian sprang auf sie, sie würgte.
»Sebastian, Vorsicht«, kreischte Anna. Ein Wunder, dass ihre Stimme gehorchte.
Ein Ast fing Feuer, Kyra spielte ihre gestohlene Pyrogabe aus. Sebastian rollte sich zur Seite. Kira sprang auf, bevor der brennende Ast zu Boden fiel. Das Lächeln erstarb auf ihren Lippen, ihr Gesicht verzog sich zu einer gefährlichen Fratze. Sebastian warf Anna einen Blick zu, Kira nutzte die Gunst des Augenblicks. Sebastian erstarrte unter einem Fluch.
»Das war alles, Honey?«, fragte Kira und schnaubte.
Die selbstgefällige Miene der Magierin ließ Anna das Blut in den Adern gefrieren. Das war’s, sie würde ihn töten.
Der rötliche Todesfluch bewegte sich langsam mit kreisenden Bewegungen auf ihn zu. Anna las das Entsetzen in seinen eisblauen Augen.
Da geschah es mit ihr. Wenn man versuchte, zu beschützen, was man am meisten liebte, wuchs man über sich hinaus. Sie wurde zum Krieger, zur Amazone. Anna wusste nicht, wie es passierte. Vielleicht war es Schicksal, vielleicht einfach nur Glück. Plötzlich sah sie ihn vor sich liegen; den Außenspiegel des Busses. Wie konnte er so weit fortgeschleudert werden? Vielleicht war ja doch alles vorherbestimmt? Hob man den Blick, so verschwanden die Grenzen und einen hielten ohnehin nur die, die man sich setzte. Sie vergaß den Schmerz in ihrem Bein, ignorierte die Angst in ihren Knochen. Sie sprang auf die Füße und schnappte sich den Spiegel.
Sebastians Augen weiteten sich, als er sah, was sie vorhatte. Höchstens ein Atemzug trennte ihn noch von dem tödlichen Fluch.
Mit letzter Kraft warf sich Anna vor ihn, bereit, für ihn zu sterben. Der Fluch traf genau auf die blanke Front. Er prallte ab und rauschte dieses Mal schnell wie ein Wirbelwind zurück auf Kira zu. Sie sackte leblos am Boden zusammen.
»Du hast mich vergessen, Honey«, keuchte Anna.
Sebastian fiel auf die Knie, befreit von dem Lähmungszauber.
Anna japste nach Luft und legte sich erschöpft und mit geschlossenen Lidern auf den Waldboden.
»Du hast mir das Leben gerettet«, hörte sie ihren Halbgott sagen.
»Unentschieden.« Sie grinste, obwohl sie viel lieber geweint hätte.
24. Kapitel
Alte Männer
W eniger Kraft, als Anna in diesem Augenblick besaß, konnte ein Mensch nicht besitzen. Andernfalls wäre er tot. Der Adrenalinspiegel in ihrem Blut sank und der Schmerz kämpfte sich zurück an die Oberfläche. Sebastian rappelte sich auf und fixierte einen Punkt in der Ferne. Anna drehte sich halb um, erkannte aber nicht, was er sah.
»Was ist?«, brachte sie unter Qualen hervor.
Wortlos verschwand Sebastian in unmenschlicher Geschwindigkeit zwischen den Bäumen.
»Sebastian?« Eine Gänsehaut überzog ihren Körper.
Jemand klatschte in die Hände. »Bravo, absolut Bravo!«
Anna biss die Zähne zusammen und hob den Kopf. Ein Mann trat auf sie zu, auf einen Gehstock gestützt. Er war sicher schon jenseits der siebzig, die achtzig traf es wohl eher. Hunderte Runzeln und Falten übersäten sein auffällig blasses Gesicht. Sein gelblicher Tweedanzug erinnerte an längst vergangene Zeiten und ein Bowler auf seinem Eierkopf verriet, was sein Akzent sie schon hatte vermuten lassen. Es handelte sich um einen Engländer.
Sie musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass dieser Mann wohl dem Beirat angehörte. »Wer sind Sie?«, fragte sie trotzdem. Er antwortete nicht, lächelte nur und griff zu einem Mobiltelefon. Ohne sich abzuwenden, sprach er in den Hörer.
»Ja Robert,
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