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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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lächelte und schüttelte den Kopf. »So läuft das nicht, Anna.«
    »Aber weshalb nicht?« Sie kniete nieder und berührte mit den Fingerspitzen die warme Schneeschicht. Ein Kribbeln durchlief ihren Körper.
    »Ich bin nicht sicher, ob es derselbe Ort wäre, wenn jeder aus purem Egoismus hierher gelangen wollte.«
    »Was meinst du?«
    »Du wirst verstehen. Eines Tages. Was führt dich her?«
    Mit einem Mal traten die Sorgen zurück ins Bewusstsein. Der Tod brachte keine Angst mit sich, jedoch die Frage nach dem wie. Ihre Mutter schwebte in Gefahr. »Eva, der Beirat hat Mama entführt.«
    »Der Beirat?« Sie klang normal, fern von Rachegelüsten. Wie hatte sie das geschafft? Allerdings klang sie auch kein bisschen überrascht.
    »Der Beirat ist böse. Richtig böse. Sie zwingen Menschen in den Kampf gegen die Fingerless.«
    Die Stimmung schwang um. Wie ein kalter Hauch, der ihren Nacken streifte. Annas Magen krampfte sich zusammen. Jennys Hand lag sicher in ihrer und sie verstärkte ihren Griff. Bloß nicht loslassen, Anna.
    Evas Blick verdunkelte sich. Zorn flammte in ihren Gesichtszügen auf und ließ das Gesicht um Jahre älter erscheinen. Ihre Haare luden sich elektrisch auf und wirbelten wild um ihren Kopf. Sie packte Anna an der Schulter. Spitze, lange Fingernägel gruben sich in ihr Fleisch, krallten sich fest. Sie stöhnte und unternahm den verzweifelten Versuch, sich loszureißen, erreichte aber bloß, dass die Haut an ihrer Schulter aufriss.
    Nein, Eva hatte es nicht geschafft. Vergeltung und Rachlust fraßen sie auf, animierten sie zum Handeln. Sie musste weg, sofort, oder der Besuch nahm ein böses Ende. Sie spähte zum Vorhang, versuchte, die Chancen auszurechnen. Wo zum Teufel war er hin? Sie konnte ihn nicht entdecken. Die Hoffnung schwand, ihre Naivität wurde bestraft.
    »Du tust mir weh. Eva, du tust mir weh«, stieß sie hervor. Sie musste Eva erreichen, ihre Eva.
    »Ich werde diese Magier vernichten.« Evas Stimme hallte durch die Ewigkeit, scheuchte die Rehe auf, die eben noch friedlich gegrast hatten. Sie verschwanden mit flinken Sprüngen hinter der Schneekuppe.
    Angst fraß sich in den letzten Winkel ihres Körpers, es gab kein Entrinnen. Anna erwog, Eva ins Gesicht zu schlagen. Aber dazu müsste sie Jennys Hand loslassen. Ihre einzige Verbindung nach Hause. Eva handelte schneller. Ihre langen Klauen griffen nach vorn, versuchten, die Verbindung zu kappen. Der Schmerz in der Schulter ließ nach und Anna stolperte zurück. Sie schaffte es tatsächlich, einen Schritt zwischen sich und den Geist zu bringen.
    »Eva, hör auf«, brüllte sie.
    Evas Gesicht verzog sich zu einer Fratze, sie bleckte die Zähne und schnellte vor. Sie erwischte die Hand, die die Welten verband. Jennys Hand entglitt ihr. Eva würde an ihrer Stelle zurückkehren, so sah es aus.
    »Genug!«
    Ein Mann erschien auf der Lichtung. Eva hielt augenblicklich inne. Anna nutzte den Moment, um Jennys Hand in letzter Sekunde wieder fest zu umschließen. Sie hielt die Luft an. Ihr Blick glitt zu Eva und zurück zu dem Fremden.
    Eva funkelte ihn an, wagte jedoch keine neue Attacke. Was ging hier vor sich?
    »Genug, Eva. Wir hatten das Thema zur Genüge.« Der Geistermann schwebte auf leichten Füßen über den Schnee. Nur noch ein paar Meter entfernt erkannte sie sein Gesicht. James Black fand den Weg zu ihr. Er hatte sich kaum verändert, was bedeuten musste, dass er in der Blüte seines Lebens gestorben war. Ein leises Mitleid legte sich auf ihre Brust.
    »Mr. Black?«, fragte sie.
    »Genug, Eva!«, wiederholte er bloß.
    Eva senkte den Kopf, ihre Anspannung zerfiel. Sie schluchzte und brach weinend im Schnee zusammen. Woher kannten sie sich? James richtete seinen Blick auf Anna. Die Zornesfalte auf der Stirn verschwand und machte ein paar Lachfältchen Platz, die seine gutmütigen Augen umspielten.
    »Anna Graf?«, fragte James Black.
    Wieso kannte er ihren Namen?
    »Wir haben auf dich gewartet, Kind.«
    Auf sie gewartet? »Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte Anna. Die Worte gingen ihr leicht über die Lippen und die Panik verebbte allmählich.
    »Und wir brauchen die deine«, lächelte er.
    »Der Beirat hat meine Mutter.« Für eine Seele, die schon viele Jahre in der Ewigkeit wanderte, blickten die Augen des Mannes außergewöhnlich klar. Hatte er mit ihr gerechnet? Und wenn ja, weshalb?
    »Es geschieht wieder?«, fragte er.
    »Sie wissen, worum es geht?«
    »Mein Team hat es damals nicht geschafft. Eva sagte es mir bereits.« Sein

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