Gefaehrlich begabt
gefesselt, seit vielen Jahren. Alles, was ich will, ist endlich bei meiner Familie zu sein. Ich will nicht länger auf Erden leiden.«
Sebastian versuchte, den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken, aber er kam nicht gegen ihn an. »Sir, das ist ein Versprechen, das ich nicht einlösen kann.«
»Aber es wäre eine Erlösung für mich, versteh doch!« Das raue Flüstern erhob sich zu einem krächzenden Flehen.
Sebastian erinnerte sich an das letzte Mal, als er ein Leben genommen hatte. Nach dem Tod des Dämons hatte er sein Verlangen kaum bremsen, seine Macht nicht zügeln können. »Ich habe mich nicht unter Kontrolle, wenn ich so etwas tue. Ich würde alles riskieren.«
»Lieber Sebastian, ich darf dich Sebastian nennen?«
Er nickte.
»Es ist nie zu spät, der zu sein, der man hätte sein können.«
Die Worte bewirkten etwas in ihm. Der Knoten der Verzweiflung löste sich und ein Hoffnungsschimmer schlich sich durch sein Blickfeld. Vielleicht behielt der Mann recht. Vielleicht bekam jeder eine zweite Chance. Möglicherweise erhielt er die Gelegenheit, seine bisherigen Taten wiedergutzumachen. Er sehnte sich danach, mit Anna zusammen zu sein. Gefahrlos. Ehrlich. Irgendwann, nach einem Sieg. Gelang es ihm heute, den ersten Meilenstein dafür zu legen?
»Und wenn es schiefgeht?«, fragte er leise.
»Es wird nicht schiefgehen. Du bist stark und ehrenwert. Allein die Tatsache, dass du hier stehst, beweist so viel. Wenn du bei den Guten mitspielen willst, junger Magier, dann musst du auch den Schritt wagen, die Seite zu wechseln.«
Er brauchte Charles’ Hilfe und dieser offensichtlich seine. Die Erlösung würde das Kriegsbeil begraben. Der Kampf konnte nach all den Jahren mit einem Händeschütteln ausgehen. Sebastian beschloss, den Wunsch des alten Jägers zu erfüllen, die weiße Fahne zu schwenken. Er sprang über seinen Schatten, vertrieb die inneren Dämonen und nickte zögerlich.
»Schön. Dann werde ich dir zuteilwerden lassen, was ich weiß. Deine Familie ist nicht das einzige Problem, und wenn sich der Beirat das Medium geholt hat, dann gewiss nicht, um es zu beschützen.«
»Was meinen Sie?«
»Es war nicht deine Familie, die mir den Fluch auferlegte. Es war der Beirat, damit ich nicht in die Welt posaune, welch intrigante Schweine diese Mistkerle sind. Deine Freundin ist in Gefahr.« Charles schüttelte ein Hustenanfall. Die betagten Lungen schienen krank zu sein.
»Der Beirat hat Sie verflucht?« Die eisige Hand, die nur darauf gewartet hatte, erneut sein Herz mit einer starken Faust zu umschließen, packte brutal zu. Anna schwebte in Gefahr …
»O ja. Niemand von uns zog damals freiwillig in den Krieg gegen euch. Sie haben uns erpresst, indem sie unsere Familien entführten. Deine Freundin ist also entweder ein Druckmittel oder ein Jäger. Wobei ich nicht glaube, dass sie eine Frau als Hunter einsetzen würden. Aber womöglich haben sich die Zeiten geändert.«
»Wo soll ich nach ihr suchen?«
»In London. Ist sie ein Jäger, werden sie das Mädchen im Waldschloss unterbringen und sie ausbilden. Ist sie ein Opfer, so musst du ins Hauptquartier.«
Sebastians Horizont schrumpfte zusammen. Die Lage änderte alles. Es interessierte nicht mehr, wie der Beirat vorgehen würde, wie er seine Familie stoppen konnte. Alles, was jetzt zählte, war Anna . Wenn sich der Beirat solcher Methoden bediente, um an ein Team zu kommen, war er gefährlich. Aber er hätte es wissen müssen, er gehörte schließlich der gleichen Spezies an …
»Vielen Dank, Mr. Smith. Vielen Dank!« Sebastian griff nach der faltigen Hand und drückte sie zum Abschied. »Dein Versprechen, Junge!«
Sebastian schrak zusammen, er wollte gerade aus der Tür verschwinden. Tausend Ameisen rannten über seinen Körper. Aber er nickte.
»Sie hat die Menschlichkeit in dir geweckt, Sebastian. Sie hat die richtige Seite in dir gefunden. Lass sie nicht gehen und gib gut auf sie acht.«
Der alte Jäger sprach von Anna, als würde er sie kennen. Tränen schlichen sich in Sebastians Augenwinkel. »Gute Reise, Charles. Ruhe in Frieden«, flüsterte er und das Herz des Mannes hörte augenblicklich auf zu schlagen. Friedlich schloss der alte Herr die Lider, ehe er seinen letzten Atemzug in die Nacht hinaushauchte.
*
Anna saß, die Bettdecke um den Oberkörper geschlungen, auf dem Fußboden. Die Geisterkälte verschwand allmählich. Schneller als sonst, weil keine Seele sie in die Schatten begleitet hatte.
»Also, mithilfe der
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