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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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durch eine mentale Welt bewegte, wogen die Beine plötzlich schwer wie Blei. Jeder Schritt kostete Kraft. Zögerlich steuerte sie auf die Ewigkeit zu.
    Plötzlich versperrten ihr Schattenseelen den Weg. Sie nahmen ihr die Sicht und das Gefühl beschlich sie, dass sie sie zornig anfunkelten. Was sollte das?
    »Eva, die Schattenwesen lassen mich nicht durch.«
    »Dann befiehl es ihnen.«
    Jedes einzelne Haar auf Annas Arm richtete sich auf. Das Blut rauschte in ihrem Kopf und ließ den Herzschlag seltsam schwach klingen. »Geht zur Seite«, zischte sie.
    Die Wesen gehorchten. Evas Seelenlicht tauchte wieder auf. Anna atmete tief durch und setzte den Weg fort. Einen Fuß vor den anderen, Schritt für Schritt. Die Ewigkeit rückte nicht näher. »Wie weit ist es?«, fragte sie.
    Sie konnte es sich nicht leisten, stundenlang durch das unheimliche Halbdunkel zu waten und wertvolle Zeit zu vergeuden.
    »Das hängt von dir ab, Anna. Überwinde deine Zweifel , du musst es wollen. Dann ist es ganz nah.«
    Leichter gesagt als getan. Immerhin verstieß sie gegen zwei wirklich harte Regeln. Ein Medium sollte nicht einfach in die Ewigkeit tauchen und erst recht keiner Racheseele vertrauen. Anna biss die Zähne zusammen und der nächste Schritt, den sie ging, maß einen Meter. Augenblicklich erlosch das warme Kerzenlicht um sie herum und sie befand sich in vollkommener Dunkelheit. Hastig blickte sie zurück, aber sie sah die Kerzen nicht mehr.
    Ihr entfuhr ein Aufschrei.
    »Anna?« Eva klang besorgt. Konnte ein Rachegeist besorgt klingen?
    »Jemand hat die Kerzen ausgeblasen«, flüsterte sie. Was geschah in dem Schlafzimmer? Stattete der Beirat ihr einen Besuch ab? Aber Jennys Hand bestätigte, dass in ihrer Welt nichts passierte.
    »Das ist schon in Ordnung. Folge meiner Stimme. Du bist auf dem richtigen Weg. Überwinde die Selbstzweifel .«
    Anna widerstand dem Impuls, einfach die Augen aufzureißen, zumal sie nicht wusste, ob es entfernt der Schatten etwas brachte. Die Umgebung kühlte stark ab, Gänsehaut überzog den Körper. Langsam steuerte sie auf das kleine Licht vor ihr zu und es rückte tatsächlich näher.
    Etwas streifte sie und sie fuhr zusammen. »Eva, hier ist etwas. Etwas hat mich berührt!« Ihre Stimme überschlug sich.
    »Ganz ruhig. Es ist der Vorhang, der die Welten trennt. Du musst ihn zu fassen bekommen und zur Seite schieben.«
    Anna griff mit der freien Hand nach vorn, aber sie bekam den Vorhang nicht zu packen.
    »Ruhig, Anna. Du musst es mit Ruhe versuchen.«
    Anna spannte die Muskulatur an und atmete tief durch. Langsam griff sie vor sich. Eine leichte Windböe streifte sie. Gott sei Dank, sie hatte ihn! Er lag kalt und weich in der Hand, ließ sich mit nichts vergleichen. Existierte so ein Stoff überhaupt?
    Sie mühte sich ab, den Vorhang mit einer Hand zur Seite zu ziehen, mit der anderen krallte sie sich in Jennys. Sie durfte nicht loslassen, das Unterbewusstsein sagte es ihr.
    »Du musst kräftiger ziehen, ich fühle dich ganz nah bei mir«, hauchte Eva.
    Sie sammelte die Kräfte und schob den Vorhang zur Seite.
    Plötzlich ergoss sich Licht über sie. Abermillionen von Sternen leuchteten auf sie herab. Eva lächelte, zum Greifen nah.
    Eva sah so lebendig aus. Ihre Haut besaß einen zartrosa Schimmer, ihre Augen blitzten. Sie zog Anna an sich. Ihr Körper bebte, ein Zeugnis dafür, dass sie auch weinte. Anna vergrub das Gesicht tief in ihrer Schulter und wunderte sich, dass sie sich warm anfühlte. Es gab keine Erklärung, warum Geister von eisiger Kälte begleitet wurden, wenn sie die Ewigkeit verließen. Das Jenseits erstreckte sich in angenehmen Temperaturen vor ihr. Optisch glich es einer Winternacht. Atemberaubend schön. Sterne und Mond warfen ein schillerndes Licht auf die Umgebung und die Himmelskörper reflektierten auf der samtigen Schneedecke, die sich über den Boden zog. Große Bäume, weiß bedeckt, standen in Abständen auf der Freifläche, bevor eine Kuppe den Weitblick beendete. Die Atemwolke glitzerte und funkelte so blau wie die dicken Eiszapfen an den dünnen Ästen. In der Ferne standen ein paar Rehe und ästen irgendwelche Halme, die sie vorsichtig aus der Schneedecke zogen.
    Anna trug keine Schuhe, aber der Schnee ummantelte die Füße warm. Sie blickte an sich hinab und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, fand jedoch keine passenden Worte.
    »Schön, oder?«, fragte Eva.
    Anna nickte. Wozu kämpften sie überhaupt? Sollten doch alle sterben und hier Frieden finden.
    Eva

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