Gefaehrlich begabt
Pergamente sollst du einen Engel rufen? Das ist cool!«
Jenny schien Feuer und Flamme für den Plan zu sein.
»Zunächst einmal befreien wir ihre Geiseln«, sagte Anna. »Ich hoffe, dass sich die Fronten danach klären.«
»Werden sie, mach dir keine Sorgen. Sobald die Kotzbrocken kein Druckmittel mehr haben, wird der Rest uns beistehen.«
Anna nickte und hoffte inbrünstig, dass die Vierzehnjährige recht behielt.
»Sag mir, welches Talent soll ich mir morgen krallen? Eine Hexengabe wäre cool, dann wäre ich wie meine Mutter.«
»Nein!«, zischte Anna.
Jenny zog fragend die Augenbrauen hoch. »Wenn der Beirat die Mentoren vom Flughafen abholt, mache ich mich auf den Weg.
Niemand von euch sollte ein Talent bekommen. Jenny, damit steht ihr auf der Abschussliste der Fingerless.«
»Aber ohne werden wir weder den einen noch den anderen in den Hintern treten können.«
»Trotzdem. Ich mach das alles nur, um euch zu retten. Ihr solltet mit alldem nichts zu tun haben.«
»Du wirst es wohl kaum allein schaffen.«
»Mir fällt schon was ein. Weißt du, was deine Mutter mit mir anstellt, wenn sie hört, wir hätten dir eine Gabe verpasst? Sie würde mich umbringen.«
»Das ist so unfair, Anna. Endlich habe ich die Chance, dazuzugehören.« Jennys Augen begannen zu glitzern.
Anna betrachtete ihr kindliches Gesicht und verstand sie sehr gut. Es musste nicht einfach sein, als Einzige normal zu sein. Aber sie war ein Kind und der Tag, an dem es anders kommen konnte, sollte noch weit entfernt liegen. Selbst sie fühlte sich noch lange nicht bereit für diesen Mist. Normalsein gehörte zu den schönsten Dingen auf der Welt. Natürlich verstand Jenny das nicht.
»Wir überlegen uns etwas, wenn deine Mutter wieder bei Verstand ist. Bis dahin werde ich versuchen, das Kind allein zu schaukeln. Ende der Diskussion.« Der autoritäre Ton, den sie sich in den vergangenen Tagen angeeignet hatte, gefiel ihr nicht. Aber einer musste nun mal mit Vernunft handeln. »Wir sollten jetzt schlafen, es ist schon total spät.«
Jenny blickte auf die Uhr und nickte. Fast zwei Uhr nachts. »Gute Nacht, Anna. Hoffentlich verschläfst du und wachst erst mittags auf«, verabschiedete sich Jenny mit verbitterter Miene.
Anna seufzte und blickte ihr nach. Verdammt, sie hatte wirklich andere Sorgen als sich noch um ihren Trotzkopf zu scheren. Morgen brauchte sie schließlich jedes bisschen Kraft, das sie kriegen konnte. Mit einem nervösen Flattern in der Magengrube begab sie sich ins Bett und zog die Decke bis über den Kopf. Für den Rest der Nacht wollte sie das alles ausblenden. Der morgige Tag würde alles andere als spaßig werden.
33. Kapitel
Überraschung
J osh Fingerless betrat die winzige Dachgeschosswohnung. Dass hier Magie ausgeübt worden war, hatte er schon einen Kilometer zuvor gespürt. Der Ortungszauber, den eine entführte Hexe gesprochen hatte, ging auf. Es war Menschenmagie. Eine dickliche Frau saß mit verklärtem Blick auf einem Sessel. Sie machte keine Anstalten, sich zu bewegen, sah ihn nicht einmal an, als er sich vor sie stellte.
»Wo ist er?«, fragte er mit kalter Stimme.
Die Frau wandte sich ihm zu.
»Wo ist Sebastian?«, wiederholte er und packte ihr Kinn, damit sie den Kopf nicht wieder senkte.
»Meinen Sie den Sebastian, der hier wohnt?«
Die Frau stand unter einem Bann. Er trug Sebastians Handschrift, auch wenn er die Art von Magie lange nicht gebraucht hatte und das Ergebnis schlampig erschien.
»Wenn Sie mir nicht sagen, wo der verfluchte Spinner steckt, werde ich Sie töten.«
Es war zwecklos. Von der Frau erhielt er keine Antwort. Er rollte die Augen und besah sie mit einem abwertenden Blick. »Dann bist du überflüssig«, flüsterte er, während er ein Jagdmesser aus der Tasche zog.
Interessiert beobachtete die Frau, was er tat. Sie unternahm keinen Versuch, sich zu retten und ließ zu, dass er die scharfe Klinge über ihre Halsschlagader zog. Der Tod holte sie im Sessel ein.
Um seinem Bruder eine Nachricht zu hinterlassen, hackte er gekonnt den üblichen Finger der Toten ab und legte ihn auf den Wohnzimmertisch. Er schrieb ein paar Zeilen auf ein Blatt und hoffte stark, dass Sebastian so blöd sein würde, hierher zurückzukehren. Denn der Ortungszauber war ein cleverer Schachzug, von dem Sebastian nicht wissen konnte. Josh grinste in sich hinein.
*
Sebastian wägte das Für und Wider ab, Gedanken um Gedanken. Er kam zu dem Entschluss, dass Anna wohl in den Augen des Rechtsbeirats eine
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