Gefaehrliche Begierde
Kratzen näherte sich die Stimme wie eine giftige Schlange. Während sie die Kränkung tief traf, von einem Cherokee abzustammen - von einem Vater, den sie nie kennengelernt hatte und nicht mit ihrer Schwester teilte -, starb der Song, den sie gerade komponierte, eines schnellen Todes. Ihm folgte glühende Wut. Griggs. Es konnte niemand anders sein. Keiner der anderen Wärter nannte sie Rothaut.
Dieser rassistische Abschaum.
J.J. riss sich zusammen, setzte eine undurchdringliche Miene auf und blickte über ihre Schulter. Sie blinzelte, überrascht von zwei Dingen: erstens, sie war viel zu nah an der Tür zum Sportplatz des Gefängnishofs, dem Spielplatz ihrer Nemesis. Oh, und wenn man schon vom Teufel spricht, Daisy (eine Fehlbezeichnung für die männliche, kräftig gebaute Frau), glotzte sie an unter ihren Hanteln, die sie gerade stemmte. Und zweitens? Griggs sah aus, als hätte ihn ein Zug gestreift. Oder eher, als wäre er in eine Frontalkollision mit einem geraten ... und hätte verloren. Volle Pulle. Die beiden blauen Augen sagten genug. Das weiße Pflaster über der einen Augenbraue und der Schnitt auf dem Nasenrücken vollendeten das Bild. Jemand hatte dem Wärter höllenmäßig zugesetzt, seine Fäuste benutzt und kräftig Schläge ausgeteilt.
Hatte er gut gemacht. Oder, ähem ...
Sie.
Ah, Mist. Hatte Tania schließlich den Kopf verloren und ihre Fäuste gebraucht? Ihren ganzen Kickboxunterricht dazu benutzt, sich Griggs ordentlich vorzunehmen, wie er es verdiente? J.J. runzelte die Stirn, ließ sich das durch den Kopf gehen. Sie brauchte weniger als eine Sekunde, um zu der Entscheidung zu kommen, dass ihre Schwester nicht der Übeltäter war. Sosehr sich Tania auch über Griggs beschwerte, sie kannte den Preis dafür, ihr Temperament an dem Wärter auszulassen ... nämlich dass J.J. dann in der Klemme säße. Also nein. Ihre Schwester würde sie so einem Risiko niemals aussetzen.
Wirklich bedauerlich.
Sie würde es zu und zu gern sehen, wenn ihre Schwester ausrastete. Sie käme mit den Auswirkungen schon klar -würde die Rachsucht des Widerlings von Wärter schon aushalten nur um zu sehen, wie Tania den Wichser zur Sau machte. Nur einmal. Okay, das war eine dicke, fette Lüge. Ein Faustschlag in seine Visage wäre nicht annähernd genug. Sie wollte schon das volle Programm. Jede Menge Keile. Eine schnelle Abfolge von soliden Schlägen, bis er einknickte wie ein Grashalm.
Schließlich hatte Griggs es verdient... und noch einiges mehr.
»Nun?«, sagte er in strengem Tonfall.
»Nichts, Officer«, antwortete sie und blickte gen Himmel. Die Wolken bewegten sich, legten sich in einer dicken, weißen, flauschigen Decke vor die Sonne. Konnte man sich ja denken. Sobald Griggs auftauchte, verschwand alles Helle. »Habe nur die frische Luft genossen.«
»Wie passend. Besonders da du sie nicht mehr lange genießen wirst, schätze ich.« Sein selbstgefälliger Tonfall alarmierte sie. Was zum Teufel meinte er damit? Unsicherheit ergriff sie. J.J.s Blick fuhr zu ihm. Triumph in seinen blutunterlaufenen Augen, murmelte er: »Interessante Personalakte hast du, Rothaut.«
J.J. sank das Herz. O Gott. Er wusste Bescheid. Hatte den Brief vom Bewährungsausschuss in ihrer Akte entdeckt und jetzt... wusste er es. Die Furcht ließ sie schwanken, schnürte ihr die Kehle zu, nahm ihr den Atem.
»Du redest lieber mal mit deiner Schwester. Muss ja niemand sonst von deinem Termin mit dem Bewährungsausschuss erfahren. Auf keinen Fall Daisy.« Ein wissendes Glitzern in seinen schrecklichen Augen feixte Griggs, als er ihr mit Daisy der Zerstörerin drohte. Eine Frau, die für einen dreifachen Mord einsaß und bekannt war für ihre
Brutalität gegenüber Mithäftlingen. »Du könntest alles ändern. Ein kleines aufmunterndes Wort oder auch zwei von dir, und...«
Ein Windstoß fuhr über den Hof und wirbelte Staub über das Pflaster, begleitet von muffigem Grasgeruch, vermischt mit Griggs korruptem Gestank, als er seine widerliche Andeutung über sexuelle Gefälligkeiten im Raum stehen ließ. Und J.J. drehte sich der Magen um, Abscheu verband sich mit Entsetzen, was beides ganz oben auf ihrer Hitparade stand. Als das Trommelfeuer auf sie eindrosch, wandte sie ihren Blick ab von ihm und starrte über den Gefängnishof.
Es war nicht fair. Weder ihr noch Tania gegenüber.
Sie waren so nah dran gewesen. So erstaunlich nahe dran zu gewinnen. Und Griggs... das gottverdammte Arschloch ... drohte jetzt alles zu ruinieren. Aber
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