Gefaehrliche Begierde
der Tür, die sich öffnete. Minuten später wurden die Gaslampen angezündet, das Signal für sie. Einen entsetzlichen Augenblick lang fühlte sich Alex wie gelähmt und konnte sich nicht bewegen. Sie schloss die Augen und hielt die Luft an.
Ihre Bewegungen waren träge, aber dennoch gut einstudiert. Sie betrat das Schlafzimmer durch die Tür, die sie langsam hinter sich schloss. Als sie das erste Kleidungsstück ablegte, vernahm sie, wie im Publikum hörbar eingeatmet wurde. Sie hängte den Umhang über die Garderobe, dann sank sie zur nächsten Pose in die Knie. Als sie sich wieder aufrichtete, wirbelte sie herum; ihre Röcke hoben sich und schwangen wie die Blätter einer voll erblühten Rose. Alex wusste, dass sie in der Vorstellungskraft ihres Publikums ein magisches Bild schuf. Sie war eine junge Debütantin, die gerade von einem Maskenball zurückkehrte. Sie gähnte und reckte sich, um anzudeuten, dass sie müde war und ins Bett gehen wollte. Langsam begann sie einen der langen Wildlederhandschuhe auszuziehen und hörte ein Aufseufzen. In einer provozierenden Geste öffnete sie die Knöpfe ihres Kleides, einen nach dem anderen. Sie schob die Ärmel des Kleides über ihre Schultern, trat aus dem Rock und hängte ihn an die Garderobe. Dann setzte sie sich auf den Stuhl und begann, ihr Haar zu bürsten. Sie hob verführerisch ein Bein, bevor sie ihr Strumpfband auszog. Sie wiederholte die Bewegung mit dem anderen Bein, dann stand sie auf und zog den zweiten Unterrock aus. Sie setzte sich, um ihre Schuhe auszuziehen, dann legte sie das zweite Stumpfband und ihre Strümpfe ab.
Das zustimmende Murmeln aus dem Publikum sagte ihr, dass die Vorstellung bis jetzt ein Erfolg war. Nur noch mit einem kurzen Hemdchen bekleidet stand sie auf, die Hände auf den Hüften, und fragte sich, wie sie nur den Mut aufbringen würde, den nächsten Schritt zu tun. Ihr Schamgefühl sagte ihr, der Gardine den Rücken zuzuwenden, während sie ihr Mieder aufschnürte. Sie legte es auf den Stuhl und zog ihre Unterhose aus. Als sie dem Püblikum die Rundung ihres Pos zeigte, löste das spontanes Pfeifen aus, und ihr wurde klar, dass mehr als ein halbes Dutzend Zuschauer auf der anderen Seite des Vorhangs sein mussten. Alex fürchtete ohnmächtig zu werden, wenn sie ihre Vorstellung nicht bald beendete.
Sie legte beide Hände um ihre Brüste, wandte sich langsam um und begriff plötzlich, dass die rotgoldenen Locken auf ihrem Venushügel, die durch das Netzkostüm deutlich zu sehen waren, nicht zu ihrem silberblonden Haar passten. Sie nahm die Hände von den Brüsten, täuschte ein Gähnen vor, reckte sich ein letztes Mal und stieg dann in das Bett mit den schwarzen Seidenlaken. Die Gaslampen gingen langsam aus.
Der Applaus war überwältigend, und sie hörte die Männer rufen: »Encore, encore!«
Jemand hinter der Bühne zischte: »Vor den Vorhang!« Alex sprang aus dem Bett und griff nach ihrem Umhang. Sie rückte ihre Perücke gerade und berührte ihre Maske, um festzustellen, ob sie noch an der richtigen Stelle saß, dann trat sie vor die Gardine und verbeugte sich. Beinahe hätte sie vor Erstaunen den Mund weit aufgerissen: Viele Männer standen, weil sie keinen Platz mehr gefunden hatten. Sie trat wieder hinter den Vorhang und schwor, sich niemals wieder vor diesen Vorhang zu stellen, der für sie eine Schutzbarriere war.
Christopher Hatton, der befürchtete, ausgelacht zu werden, wenn er sich in der Stadt zeigte, zog sich in sich selbst zurück. Das Geschäft, in dem er das Gemälde von Canaletto gekauft hatte, war leer, der Kunsthändler war in der Nacht verschwunden. Kit hatte ein Vermögen ausgegeben, und er war königlich betrogen worden. Am Jahresende kamen die Rechnungen ins Haus, und um alles noch schlimmer zu machen, erhielt er eine Nachricht von der Barclays Bank, in der ihm mitgeteilt wurde, dass er sein Konto überzogen hatte. Immer, wenn in der Vergangenheit sein Konto leer gewesen war, hatte John Eaton es wieder aufgefüllt. Kit verfluchte seinen Finanzberater, er schickte eine Nachricht an sein Londoner Büro und bat ihn um einen Besuch in der Curzon Street.
John Eaton kam Mitte Dezember, in einem Hagelsturm. Er schüttelte seinen Mantel aus, reichte ihn dem Butler und wurde dann zu Kit geführt. »Ah, Lord Hatton, wie weise, an einem solchen Tag mit einem Glas Whiskey am Kamin zu sitzen.«
Kit goss Eaton einen Drink ein und kam sofort zur Sache. »Mein Konto ist überzogen, John. Wie konnte so etwas deiner
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