Gefährliche Flucht - zärtliche Eroberung
Halle die Treppe hinauf und den Korridor entlang, bis sie den sicheren Hafen ihres Schlafgemachs erreicht hatte. Sie warf die Tür hinter sich ins Schloss und verriegelte sie – zum ersten Mal, seit sie in Trethevyn lebte.
Luciens Worte hallten in ihr nach. Grausame Worte, von denen sie niemals geglaubt hätte, dass sie ihm über die Lippen kommen könnten, und doch hatte er sie ihr allzu bereitwillig an den Kopf geworfen. Sie fühlte sich wie in einem Albtraum, aus dem es kein Erwachen geben würde. Das Herz trommelte gegen ihre Rippen, und ihr Mund war so trocken, dass sie kaum schlucken konnte. Übelkeit stieg in ihr auf.
Aufgewühlt begann sie auf dem Teppich auf und ab zu laufen, hielt jedoch inne, als sie ein Kratzen an der Verbindungstür vernahm und gleich darauf Max’ gedämpftes Winseln. Sie ließ den Hund in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter ihm. Max schien zu spüren, dass etwas nicht in Ordnung war, und leckte ihr tröstend die Finger.
„Oh Max!“ Madeline ging in die Hocke und drückte den warmen Hundekörper an sich. „Was ist bloß geschehen, das ihn so böse und misstrauisch gemacht hat? Er muss wirklich verrückt geworden sein.“ Sie streichelte Max’ Kopf und kraulte das seidige Fell hinter seinen Ohren.
Max sah sie an und jaulte leise.
Madeline brachte es nicht über sich, wieder in das Bett zu klettern, in dem sie noch ein paar Stunden zuvor mit so großen Hoffnungen gelegen hatte. Sie dachte an Luciens zärtliche Küsse, sein Versprechen, zu ihr zu kommen. Was in aller Welt mochte geschehen sein, nachdem sie ihr Zimmer aufgesucht hatte? Dann fiel ihr ein, dass sein Bruder überraschend eingetroffen war. Konnte Lord Salcombes Nachricht Lucien dermaßen gegen sie aufgebracht haben?
Sie ließ sich auf die Chaiselongue sinken und rollte sich darauf zusammen. Max sprang neben sie und legte seinen Kopf auf ihre Beine. Für den Rest der Nacht tat Madeline kein Auge zu. Sie starrte in den Himmel, der langsam hell wurde, und dachte an die Liebe, die ihr, kaum dass sie sie gefunden hatte, wieder entrissen worden war.
Als Betsy am nächsten Morgen an ihrer Tür klopfte, hatte Madeline einen vorläufigen Plan gefasst. Da Lucien ihr über die Neuigkeiten, die sein Bruder ihm mitgeteilt hatte, offenbar keine vernünftige Auskunft geben wollte, würde sie den Viscount aufsuchen und ihn selbst fragen. Es gab keinen Grund, weshalb sie nicht erfahren sollte, was die Haltung ihres Gatten ihr gegenüber derart ins Gegenteil verkehrt hatte. Wenn sich bis zum Ende der Woche nichts änderte, blieb ihr ohnehin keine andere Wahl, als mit Lord Salcombe abzureisen und sich von London aus um eine Lösung der Schwierigkeiten zu bemühen. So vorsichtig wie möglich zog sie ihre Beine unter Max’ Kopf hervor, als Betsy ein zweites Mal klopfte.
Sie ging zur Tür, entriegelte sie und öffnete. „Entschuldige, Betsy. Ich hatte vergessen, dass ich abgeschlossen hatte.“
Das Mädchen starrte sie neugierig an. Die dunklen Schatten unter den Augen ihrer Herrin entgingen ihr ebenso wenig wie deren aschfahle Gesichtsfarbe. „Mylady“, flüsterte sie ängstlich, „ist irgendetwas passiert?“
„Nein, Betsy. Ich habe nur schlecht geschlafen“, beeilte Madeline sich zu versichern. „Ich glaube, ich möchte mein Frühstück heute auf meinem Zimmer einnehmen. Könntest du mir eine Kanne Kaffee und zwei Scheiben Toast mit Marmelade bringen?“
Betsy starrte sie weiterhin an. Madelines nächste Worte überzeugten sie vollends, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.
„Oh, und würdest du bitte herausfinden, ob Lord Salcombe schon aufgestanden ist?“
Mrs. Babcock persönlich brachte ihr das Frühstück. Schnaufend und mit geröteten Wangen kam die Haushälterin in das Schlafgemach gehumpelt und musterte Madeline prüfend, nachdem sie das Tablett abgestellt und ihr eine Tasse Kaffee eingegossen hatte. „Guten Morgen, mein Lämmchen. Kann es sein, dass Sie ein bisschen wetterfühlig sind?“
„Aber nein, Mrs. Babcock. Mir geht es gut“, log Madeline.
Die Haushälterin bedachte sie mit einem misstrauischen Blick. „Lord Salcombe hat sich noch nicht sehen lassen, Faulpelz der er ist. Er steht nie vor Mittag auf, ganz wie die gute Gesellschaft in London es zu tun pflegt.“ Sie verzog missbilligend den Mund. „Um es höflich auszudrücken, Mylady.“
Madeline nahm einen Schluck Kaffee. Die Aussicht, stundenlang warten zu müssen, bis der Viscount sich aus seinem Bett bequemte, behagte ihr gar nicht. „In
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