Gefährliche Flucht - zärtliche Eroberung
holen … Ich habe nach einer Kerze und einer Zun derbüchse gesucht. Er hatte ihr nicht geglaubt, doch hier stand der Beweis. Ein Kerzenhalter aus ihrem Schlafgemach, in dem sich noch die kläglichen Reste einer längst heruntergebrann ten Kerze befanden.
Es klopfte, und Guy trat in die Bibliothek. „Ich dachte mir schon, dass ich dich hier finde, alter Junge.“
Lucien drehte sich um und griff sich stöhnend an die Stirn. Sein Kopf schien für schnelle Bewegungen nichts übrig zu haben. „Wieso bist du so früh auf?“
„Dir auch einen schönen Nachmittag, Bruderherz. Deinem Zustand entnehme ich, dass du die Brandyflasche geleert und eine ungemütliche Nacht im Sessel verbracht hast.“
Lucien gab keine Antwort.
„Tut mir leid, dass ich der Überbringer schlechter Nachrichten war, aber ich fand, es ist besser, wenn du Bescheid weißt.“ Guy musterte Luciens mitgenommenes Erscheinungsbild und begriff, dass sein Bruder mehr litt, als er je vermutet hätte. „Vielleicht gibt es eine Erklärung, die alles in einem anderen Licht erscheinen lässt“, setzte er begütigend hinzu. „Vielleicht hat Madeline gar keinen Brief an Farquharson geschickt.“
Lucien sah ihn mit blutunterlaufenen Augen an. „Doch, das hat sie. Norton konnte es bezeugen.“
„Oh.“ Guy schloss die Tür hinter sich. „Dann ist ihre Komplizenschaft mit Farquharson also bewiesen.“
„Nein, Guy, eigentlich nicht.“ Lucien fuhr sich mit der Hand durch die zerstrubbelten Haare. „Sie kam letzte Nacht in die Bibliothek, ohne zu bemerken, dass ich hier war. Ich sah, wie sie meinen Schreibtisch nach etwas absuchte.“
„Du meine Güte! Das ist ja noch schlimmer, als ich dachte.“
„Als ich sie darauf ansprach, behauptete sie, dass sie sich ein Buch holen wollte.“
„Mitten in der Nacht?“ Guy hob eine Augenbraue.
„Sie konnte anscheinend nicht schlafen.“
„Was für eine einleuchtende Geschichte“, spottete Guy.
Lucien schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass sie gelogen hat. Sieh her“, fuhr er fort und wies auf den Kerzenhalter, der auf der Schreibtischplatte stand. „Madeline würde niemals die Dummheit machen, ohne eine ordentliche Kerze zu kommen, wenn sie darauf aus gewesen wäre, meine Papiere zu durchwühlen. Außerdem hättest du sehen sollen, wie schockiert sie war, als ich sie zur Rede stellte … wie fassungslos.“
„Farquharson sagte selbst, dass er ihr beigebracht hat, sich zu verstellen. Sie spielt ein übles Spiel mit dir, Lucien.“
Lucien sah seinem Bruder unverwandt in die Augen. „Wir kennen Farquharson als abgefeimten Lügner.“
„Das bedeutet nicht, dass Madeline unschuldig ist.“
„Ich habe ihr nicht einmal die Gelegenheit gegeben, sich gegen meine Anschuldigungen zu verteidigen.“ Wieder fuhr Lucien sich durch die Haare. „Aber wegen des Brandys war mein Urteilsvermögen getrübt. Zum Teufel, einen solchen Zorn habe ich nicht mehr empfunden, seit ich herausfand, was Farquharson Sarah angetan hatte. Ich war Madeline gegenüber roh und gemein, Guy, und eine so ungerechte Behandlung hat sie nicht verdient.“
Guy stieß ein verächtliches Schnauben aus. „Ach komm, Lucien. Alle Beweise sprechen gegen sie. Sieh den Tatsachen ins Auge, Bruderherz, dein Mitleid ist verschwendet. Du bist ihren Schauspielkünsten auf den Leim gegangen.“
Lucien schüttelte den Kopf. „Ich habe Madeline in den vergangenen Monaten kennengelernt, Guy. Sie ist nicht die hinterhältige Person, die du in ihr siehst. Sie ist argloser und vertrauensvoller, als du dir vorstellen kannst. Die Beweise mögen gegen sie sprechen, aber es gibt eine innere Gewissheit in mir, die mir sagt, dass sie unschuldig ist.“
„Sie hat dich völlig bezirzt, Lucien. Lass nicht zu, dass du der Wahrheit gegenüber blind wirst, nur weil du sie attraktiv findest.“
„Unsinn, Guy. Das eine hat mit dem andern nichts zu tun.“
„Dann gibst du zu, dass du dich von ihr angezogen fühlst?“ Gespannt wartete Guy auf eine Antwort.
„Ja, verdammt“, brach es aus Lucien heraus. „Ich will sie, ganz und gar. In meinen Armen, in meinem Bett, in meinem Leben. Ist es das, was du hören wolltest? Ich begehre sie, Guy, aber ich habe sie nicht angerührt. Wenigstens diese Dummheit habe ich mir erspart.“
Eine Pause entstand, in der sich Guy etwas von den Gefühlen mitzuteilen schien, die seinen älteren Bruder bewegten. „Es ist nicht einfach nur Verlangen, was dich zu ihr hinzieht, nicht wahr, Lucien?“, fragte er nach
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