Gefährliche Flucht - zärtliche Eroberung
nichts diese Tatsache jemals ändern konnte.
„Es sieht Master Guy überhaupt nicht ähnlich, dass er sich so lange herumtreibt, Mylord. Jedenfalls nicht hier bei uns auf dem Lande.“ Die Haushälterin stand an der Tür zur Bibliothek und runzelte missbilligend die Stirn. „Ich mache mir Gedanken, wo der Junge bleibt.“
Dass Mrs. Babcock seinen Bruder immer noch als Jungen betrachtete, amüsierte Lucien, doch er musste zugeben, dass auch er beunruhigt war. Beim Dinner vor einer Stunde hatte Guy sich nicht blicken lassen, und auch in seinem Zimmer hielt er sich nicht auf. Sein Bruder hielt nicht eben viel von den Zerstreuungen, die das Landleben bot; umso besorgniserregender war es, dass er so lange ausblieb.
Lucien versuchte, sich nichts von seinen Gedanken anmerken zu lassen. „Viscount Salcombe wird sich nach der Anstrengung seines Querfeldeinritts das Vergnügen eines ausgedehnten Aufenthalts in der Schankstube des ‚King’s Arms‘ gegönnt haben“, versuchte er die Haushälterin aufzumuntern. „Oder er ist nach Liskeard oder Bodmin geritten. Keine Angst, Mrs. Babcock, er wird sicher bald kommen.“
Eine halbe Stunde später drangen aufgeregte Rufe aus der Halle Lucien ans Ohr, und er lief alarmiert nach draußen. In der Nähe der Tür drängte sich eine Traube von Dienstboten um etwas, das auf dem Boden lag.
Kalte Angst griff nach seinem Herzen. Mit zwei langen Schritten war er bei dem kleinen Pulk Menschen und schob die beiden nächststehenden Diener beiseite. „Was ist hier los?“ Sein Ton war sachlich und nüchtern, der Ton eines Mannes, der sich in der Gewalt hatte.
„War aufs Pferd gebunden, der Junge. Anders hätte er nicht mehr reiten können, so schlimm, wie er verletzt ist, Mylord“, antwortete Boyle auf seine Frage. „Ist in einem schlimmen Zustand, der arme Kerl, und wir haben ihn so schnell wie möglich hier hereingebracht.“
Eine breite Blutspur auf den Marmorfliesen zeigte deutlich, wo der geschundene Körper entlanggeschleift worden war. Lucien drohte sich der Magen umzudrehen, als er die unzähligen Schnittwunden sah, die das zerrissene Hemd freilegte. Sein Blick schweifte zum Gesicht des am Boden liegenden Mannes, und er stieß erleichtert den Atem aus. Es war nicht sein Bruder, sondern dessen Kammerdiener Collins.
Lucien kniete sich neben den Verletzten und tastete mit den Fingerspitzen nach der Schlagader. Er fand den Puls, der unregelmäßig und schnell, aber kräftig schlug. Rasch zog Lucien seinen Gehrock aus, wickelte ihn zusammen und schob ihn dem Kammerdiener behutsam unter den Kopf.
Collins’ Augen öffneten sich flatternd. „Lord Tregellas.“
Lucien beugte sich zu dem Mann hinunter.
„Ein Hinterhalt … haben uns zur Wehr gesetzt …“, flüsterte Collins abgehackt. „Aber … sie waren zu viele. Gesindel, das der Gentleman angeheuert hatte. Abschaum. Hatten keine Chance gegen sie.“ Der Kammerdiener schluckte schwer.
„Lassen Sie sich Zeit, Collins.“ Lucien ergriff die Hand des Verletzten und wartete, dass er fortfuhr.
„Brachten uns in einen Stollen … tief unter der Erde … nass … kalt … stellten uns Fragen über das Haus hier … und Sie … und Lady Tregellas …“
Lucien presste die Lippen zusammen.
„Banden mich auf mein Pferd …“, fuhr der Kammerdiener mühsam fort, „… damit ich Ihnen was ausrichte … eine Nachricht von dem Gentleman. Sie sollen ihn treffen … um zehn, in der Ruine von Tintagel … und Lady Tregellas mitbringen. Sonst will er Lord Salcombe töten.“
„Wie geht es Guy?“, fragte Lucien beherrscht.
„Schwer verletzt“, stieß Collins hervor. „Tut mir leid, Sir … konnte ihm nicht helfen.“
Lucien drückte dem Mann beruhigend die Hand. „Sie haben Ihr Bestes getan. Guy wird stolz auf Sie sein.“
Dem Kammerdiener fielen die Augen zu.
„Eine Frage noch, Collins.“ Lucien musste Gewissheit haben. „Hat der Gentleman seinen Namen genannt?“
Collins schüttelte mühsam den Kopf. „Sagte … Sie wüssten, wer er ist. Lord Salcombe … sprach ihn mit … Farleyson an … oder so ähnlich.“
„Farquharson.“
Lucien sah über seine Schulter. Hinter ihm stand Madeline. Ihre klaren bernsteinfarbenen Augen waren vor Schreck geweitet.
„Denk nicht einmal daran, Madeline. Du wirst mich auf keinen Fall begleiten, und das ist mein letztes Wort.“ Lucien spannte die Kiefermuskeln an und setzte eine störrische Miene auf.
„Und was ist, wenn du ohne mich in Tintagel auftauchst?“, wandte sie
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