Gefährliche Freiheit
alle!«
»Wie …?«, entfuhr es Luke.
Der Junge neben ihm strahlte.
»Ist das nicht toll? Die Bevölkerungspolizei ist entmachtet. Die Reporter haben gesagt, es wäre – wie haben sie das noch mal genannt – ›ein friedlicher Regierungsumsturz‹ gewesen.«
Auf dem Fernsehschirm nahm die Kamera zwei Personen ins Bild, die Mikrofone in der Hand hielten. Die eine war eine wunderschöne junge Frau mit langen blonden Haaren, die andere ein Mann in Jeans und T-Shirt. Nein, verbesserte sich Luke, es sind nur ein Junge und ein Mädchen, kaum älter als ich.
»Für alle, die sich gerade erst zugeschaltet haben«, sagte das Mädchen und begann unvermittelt zu kichern.
»Simone!«, mahnte der Junge.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte das Mädchen, warf die Haare zurück und riss sich zusammen. »Es ist nur – einen Moment lang habe ich mich fast wie eine echte Fernsehreporterin angehört, nicht? Die echten Fernsehleute sind nämlich alle abgehauen; aus Angst, nehme ich an. Weil sie für die Bevölkerungspolizei gearbeitet haben und kaum damit rechnen können, im Moment sehr beliebt zu sein. Deshalb sind hier bloß Tucker und ich, um Ihnen alles zu erzählen, und natürlich Jacob hinter der Kamera – he, Jacob, das machst du echt super.«
»Nun mach schon, Simone. Komm zu den Nachrichten«, ermahnte sie Tucker.
»Okay, okay.« Simone nahm Haltung an und wurde wieder ernst. »Dies ist die Sendeanstalt der Bevölkerungspolizei mit den Bepo-Nachrichten, wie es so schön heißt, nur dass wir den Namen jetzt vermutlich ändern müssen, weil die Bevölkerungspolizei nämlich erledigt ist. Was hältst du von Freiheitssender, Tucker? Gefällt dir das?«
»Simone, bitte, die Leute sehen uns zu …« Kopfschüttelnd schnitt Tucker eine Grimasse.
»Das sollten sie auch«, erklärte Simone unbeeindruckt. »Das hier ist nämlich unglaublich. Ein historischer Moment, den niemand für möglich gehalten hätte. Wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen könnte, würde ich es selbst nicht glauben …«
»Wir befinden uns im Hauptquartier der Bevölkerungspolizei«, unterbrach sie Tucker, »wo das Volk die Macht übernommen hat. Es hat selbst die Herrschaft übernommen …«
»Ohne dass es zu Kämpfen kam«, warf Simone ein. »Nirgendwo wurde Blut vergossen.«
»Also, na ja, ein paar Zusammenstöße gab es schon, glaube ich«, verbesserte sie Tucker, »in einigen Dörfern. Draußen auf dem Land. Einige Leute berichten, dass es dort Kämpfe gegeben hat und dass die Polizisten einfach abgehauen sind. Weil viele von ihnen mit der Bevölkerungspolizei gar nichts am Hut hatten und sich nur gemeldet haben, weil sie es tun mussten, um an Essen zu kommen. Und das hat den Menschen hier Mut gemacht, das Hauptquartier einzunehmen. Vergangene Nacht sind viele von denen, die für die Bevölkerungspolizei gearbeitet haben, einfach weggegangen, deshalb war das Gelände mehr oder weniger verlassen, als die Massen heute Morgen hier aufgetaucht sind. Sie haben alles, was hier an Essbarem zu finden war, unter sich aufgeteilt. Ich habe selbst auch ein erstklassiges Brot …«
»Das ist nicht gerade professionell, Tucker!«, beklagte sich Simone. »Ich glaube nicht, dass Nachrichtensprecher erzählen sollten, was sie zu essen bekommen haben.«
»Das ist doch ein wichtiges Detail. Die Bevölkerungspolizei hat hier jede Menge Vorräte gehortet. Sie haben gelebt wie die Maden im Speck, während alle andern am Verhungern waren«, meinte Tucker.
»Nieder mit den Bepos! Nieder mit den Bepos!«, stimmte jemand hinter Tucker und Simone einen Sprechchor an. »Nieder mit den Bepos!«
Simone wollte noch etwas sagen, aber die Rufe übertönten alles. Kurz darauf hielt sie achselzuckend das Mikrofon hinter sich, um den Jubel einzufangen.
»Ist das … echt?«, fragte Luke, immer noch völlig fassungslos.
Einer der Männer, die vor dem Fernseher saßen, wandte tatsächlich lange genug den Blick ab, um zu antworten.
»In unserer Stadt haben sich gestern sämtliche Bevölkerungspolizisten aus dem Staub gemacht«, sagte er. »Für mich ist das echt genug.«
»Wenn sie immer noch an der Macht wären, würden die Bepos nie zulassen, dass so etwas im Fernsehen gezeigt wird«, meinte ein anderer.
»Aber – wer hat denn jetzt die Macht übernommen?«, fragte Luke.
»Sieht aus, als wären das Tucker und Simone, meinst du nicht?«, scherzte der Junge neben ihm.
Wieder starrte Luke auf die singende, jubelnde Menge auf dem Fernsehbildschirm. Simone und Tucker
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