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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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einem gleichaltrigen Mädchen. Für deutsche Eltern ist es schon nicht leicht, wenn sich das eigene Kind als schwul oder lesbisch outet, aber in China denken viele immer noch, Homosexualität sei eine Krankheit.«
    »Krass. Und deine Eltern? Wie sehen die das?«
    »Ach, ich interessiere meine Mutter nicht genug, als dass sie sich daran stören würde. Oder an irgendetwas anderem, was ich mache.« Die Bedienung brachte das neue Bier und Naomi trank es in einem Zug bis zur Hälfte leer. »Laura hat versucht, dagegen anzukämpfen, die gute Tochter mit den glänzenden Karriereaussichten zu sein. Wurde besser in der Schule und hat wieder Geige gespielt. Aber ich habe das nicht ausgehalten. Der alte Sack. Und mein Mädchen. Ich wollte sie eifersüchtig machen, damit sie damit aufhört. Scheiße, verdammt noch mal.«
    »Mit wem?«, fragte ich.
    »Milena.«
    »Du hast Laura mit Milena eifersüchtig machen wollen?«
    »Ich weiß, echt kein feiner Zug. Und ich weiß, dass Milena auch nur mitgespielt hat, um es Laura heimzuzahlen.«
    »Und hat es funktioniert?«
    »Es hat funktioniert. Laura hat mit diesem alten Sack Schluss gemacht. Der hat überhaupt nicht gerafft, dass er abserviert worden war. Hat dauernd gefaselt, dass er auf sie wartet und wie sehr er sie liebt. Erbärmlicher Kerl.« Sie nahm das Glas in die Hand, doch bevor sie trank, fügte sie hinzu: »Na ja. Ich kann ja verstehen, dass man von Laura nicht lassen kann.« Sie lachte heiser. »Auf jeden Fall habe ich sofort mit Milena Schluss gemacht. Und Laura und ich haben beschlossen abzuhauen. Am Samstag.« Ich wusste, welchen Samstag sie meinte. Den Tag ihres Todes. »Wir haben uns an unserem Platz am Rhein getroffen und uns geschworen, heimlich durchzubrennen, wir beide, und uns irgendwo anders ein Leben aufzubauen. Am nächsten Morgen wollten wir mit dem Zug nach Paris fahren. Doch dann…« Sie klammerte sich an ihrem Glas fest, die Kippe klebte erloschen zwischen ihren weißen Fingern. »Doch dann kam sie nicht.«
    »Glaubst du, dass sie sich umgebracht hat?«, fragte ich nach einer Pause.
    »Nein. Nicht eine Sekunde.«
    »Warum warst du nicht bei der Polizei?«
    »Was hätte das gebracht?«, sagte sie wütend. »Ich hätte ihren Ruf ganz offiziell ruiniert. Ihre Eltern wären nachträglich noch wütend auf sie gewesen. Das konnte ich ihr nicht antun. Sie konnte nicht zu mir stehen, als sie gelebt hatte. Und ich wollte ihr das auf keinen Fall aufzwängen, jetzt, wo sie keine Wahl mehr hatte.«
    »Aber wer hat Laura getötet?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie tonlos. Eine Träne rann unter der Sonnenbrille herunter, sie wischte sie nicht weg. »Ich weiß es nicht.«
    »Was glaubst du denn, wer es war?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es würde nichts ändern, wenn ich es wüsste«, sagte sie. »Wenn ich Laura gehen lassen will, muss ich alles hinter mir lassen. Dieses Leben. Diese Stadt. Dieses Land.«
    »Gehst du weg?«
    »Ja. Nach Argentinien. Für immer.«
    Ich fuhr mit der Bahn nach Hause, starrte aus dem Fenster in die Dunkelheit, die sich über die nach Hause eilenden Menschen gelegt hatte. Was für eine Wendung in dieser Geschichte! Mir wurde einiges klar. Warum Lauras Eltern bei der Beerdigung keine Freundinnen von Laura dahaben wollten. Warum die Mutter so getan hat, als wüsste sie nicht, wegen wem ihre Tochter sich umgebracht hat. Warum sie den Abschiedsbrief zerrissen hatten. Jetzt hatte ich alle Puzzleteile. Und plötzlich ergab es ein richtiges Bild. Erleichtert und zufrieden öffnete ich die Haustür und überlegte gerade, wie ich weiter vorgehen sollte, da sah ich meinen Vater in der Eingangshalle, das Handy in der Hand, Enzo neben ihm, meine Mutter tigerte um sie herum. Mist. Mir war sofort klar, was passiert war. Enzo hatte mich verpfiffen. Nun gut. Das war nicht anders zu erwarten gewesen. Ich konnte es ihm nicht mal verübeln.
    »Gott sei Dank«, rief meine Mutter mit flatternden Stimmbändern. Mein Vater ließ das Telefon sinken. Seine Miene sprach Bände. »Wir hätten in zehn Minuten die Polizei gerufen und nach dir suchen lassen. Ist dir das klar?«, sagte er scharf.
    »Ich habe den Fall gelöst.«
    »Wie bitte?«
    »Ja, ich habe den Mord an meiner Klassenkameradin Laura gelöst.«
    »Natascha«, sagte mein Vater. »Das hat die Polizei doch schon gemacht. Es war Selbstmord.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Die Polizei macht es sich viel zu einfach. Ich dagegen habe alles untersucht und heute endlich den entscheidenden Zeugen aufgetan,

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