Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
hat gedroht, mich bei der Krüger-Stiftung, von der ich das Stipendium habe, zu verpfeifen. Dann hätte ich sofort das Stipendium verloren.«
»Und du hast sie sicher nicht umgebracht, damit sie den Mund hält?«
»Nein!«, schrie Nora. »So was würde ich nie tun. Ich habe sie nur gebeten, mich nicht zu verraten, und habe versprochen, damit aufzuhören. Dann bin ich gegangen. Und ich hatte solche Angst an dem Wochenende, dass ich auffliege, dass ich es kaum ausgehalten habe. Aber ich habe sie nicht umgebracht.«
»Aber du hattest ein gutes Motiv.«
»Ich war es nicht!«, kreischte sie. »Ich hätte es gar nicht tun können, weil ich an dem Wochenende mit meiner Mutter zu meiner Oma gefahren bin. Echt, das stimmt! Hier!« Sie holte ihren Filofax heraus und zeigte mir den Eintrag: Oma 70.
Mmhh. Das hätte man auch locker nachträglich reinschreiben können. Im Fälschen hatte sie ja Erfahrung. »Du kannst sie anrufen«, bot sie an.
»Nein, schon gut«, sagte ich. »Erpresst du Pascal?«
Sie seufzte. »Ja.«
»Hör auf damit«, sagte ich.
»Aber ich schaffe sonst die Noten nicht, um das Stipendium für die Uni zu kriegen. Mathe ist einfach zu schwer. Und Physik und Englisch auch. Und meine Mutter kann es sich nicht leisten, mir ein Studium zu finanzieren. Aber wenn ich arbeiten muss, kann ich mich nicht auf Jura konzentrieren.«
»Du willst Anwältin werden und lügst und betrügst wie ein Profi?«, fragte ich entgeistert.
Sie seufzte und zuckte mit den Schultern. Sie war ein egoistisches und krankhaft ehrgeiziges Biest. Aber ich glaubte ihr, dass sie Laura nicht ermordet hatte. Und damit blieben nicht mehr viele Möglichkeiten. Aber ein wichtiges Puzzleteil fehlte noch. Und das war Pepe. Er war auf der Beerdigung gewesen. Er hatte eine rote Rose dabeigehabt für Laura. Wenn er auch diese Blumensprachesache kannte, dann hatte er sie über alles geliebt. Dann war er vermutlich derjenige, wegen dem Laura mit Pascal Schluss gemacht hatte. Und dann wusste er vielleicht, was passiert war. Nach dem Verhör von Nora war mein Schultag gelaufen. Mein Adrenalin sackte so in den Keller, dass ich hundemüde wurde und meinen ganzen Vorrat an Fruchtgummis auffuttern musste, um nicht in den Tiefschlaf zu fallen. Erst mit dem letzten Schrillen der Schulglocke wurde ich wach. Jetzt musste ich wieder Hausaufgaben machen in dem wichtigen Fach Mörderjagd. Ich sagte Enzo, ich hätte auf der Party einen Schal verloren und dass wir deswegen noch mal zur Mensa fahren müssten. Er antwortete nicht, folgte aber den Schildern zur Universität. Unterwegs sagte ich ihm, dass mir mein Vater die ganze Story erzählt hatte. »Ich weiß jetzt, dass du doch kein Nazi bist«, verkündete ich.
»Aha«, war alles, was er dazu sagte. Ich war erleichtert, dass ich das geklärt hatte, und versuchte, ein normales Gespräch in Gang zu bringen, aber er blieb einsilbig.
»Ist noch was?«, fragte ich.
»Nein, was soll schon sein«, sagte er pikiert, dann bremste er plötzlich scharf und schrie: »Hey du Knalltüte, geht es noch?«
Wir hatten hinter einem dunkelgrünen Golf gehalten, der mitten auf der Straße gebremst hatte, obwohl er eigentlich hatte abbiegen wollen. »Was ist denn mit der Tussi? Die hat ihren Führerschein wohl in der Lotterie gewonnen«, schimpfte Enzo. Er war stinksauer. Ob auf mich oder die anderen Verkehrsteilnehmer, wusste ich nicht. Natürlich musste ich mir die Knalltüte angucken und schaute neugierig aus dem Fenster. Ein Mann saß hinten in der Mitte des Golfs, ein anderer auf dem Beifahrersitz und auf dem Fahrersitz eine junge Frau mit braunen Haaren. Das Auto hatte doppelte Außenspiegel. Fahrprüfung, schoss es mir durch den Kopf. Genauso hatten der Prüfer und der Lehrer auch gesessen, als Basti zu seiner praktischen Führerscheinprüfung aufgebrochen war. Aber im Gegensatz zu ihm sah es nicht so aus, als ob die Fahrerin das heute packen würde. Sie würgte den Wagen zweimal ab, bevor sie es schaffte, rechts abzubiegen. Kurz dahinter musste sie dann halten. Der Fahrlehrer stieg aus. Mit verdrehten Augen. Ich fuhr schnell das Fenster runter und hörte, wie er sagte: »Das war wohl schon wieder ein Satz mit X.« Da war also gerade jemand durchgefallen. Und zwar mindestens zum zweiten Mal, schlussfolgerte ich. Und gerade, als wir an dem Auto vorbeifuhren, sah ich, dass das Mädchen, das mit hochrotem Kopf auf der Fahrerseite ausstieg, meine liebe Klassenkameradin Coco war.
Ins Unigebäude ließ mich Enzo dieses Mal
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