Gefährliche Intrigen
kamen sie unbemerkt davon. Als sie das Haus ein gutes Stück hinter sich gelassen hatten, und in keinem Fenster das Licht angegangen war oder irgendwer Alarm schlug, zitterten ihnen vor Erleichterung die Beine.
So schnell sie konnten machten sie sich auf den Weg nach Salterdon. Das Dorf lag nur wenige Meilen entfernt, und so würden sie hoffentlich bald in Sicherheit sein. Eine Zeit lang gingen sie schweigend nebeneinander her, aber dann hielt Emma es nicht länger aus.
»Liz, darf ich dich etwas fragen?«
Liz konnte das Gesicht ihrer Herrin im Dunkeln nicht ausmachen.
»Natürlich, Mylady!«
»Was denkst du, wird nun aus mir? Ich bin schwanger und allein. Meine Familie ist tot, und vor meinem Onkel laufe ich davon. Dort wo ich hingehe, erwartet mich nichts!«
Anders als sonst war Emmas Stimme während dieser nüchternen Darstellung der Realität frei von jeglicher Emotion. Liz grübelte kurz, ehe sie ebenso nüchtern antwortete.
»Womöglich gibt es für Euch in Stainton Hall ja mehr als Ihr Euch vorstellen könnt. Lord Torrington ist ein freundlicher Mann. Wenn Ihr ihm nur sagen würdet, dass Ihr sein Kind unter dem Herzen tragt, dann wird er Euch bestimmt heiraten, und Ihr müsstet Euch keine Sorgen mehr machen.«
Der Weg schlängelte sich einen Hügel hinauf. An der Hügelkuppe verschnauften sie kurz, ehe sie ihre Unterhaltung fortsetzten.
»Ich möchte aber nicht, dass mich Lord Torrington heiratet, nur weil ich ein Kind von ihm erwarte.«
Ungläubig fragte die Zofe:
»Aber warum den nicht? Ich habe gedacht, Ihr liebt ihn!«
Emma setzte ihren Weg fort, und Liz, die sich über ihre Herrin sehr wunderte, eilte ihr nach.
»Warst du schon mal verliebt?«, fragte Emma, als sie wieder auf gleicher Höhe waren.
Die Tochter des Stallmeisters auf Stainton Hall zu sein brachte es mit sich, von jungen Männern umgeben zu sein, und obwohl Liz gerade erst fünfzehn war, war Emma von ihrer Antwort deshalb nicht überrascht.
»Ja, natürlich! Schon mindestens ein Dutzend Mal!«
Emma lachte.
»So, so, na dann bist du ja schon eine echte Expertin auf diesem Gebiet und kannst mir einen Rat geben!«
Liz bemerkte den spöttelnden Unterton, und ebenfalls erheitert gab sie zurück:
»Ja, eine Expertin! Und wo genau liegt nun Euer Problem, Mylady? Wenn Ihr meinen teuren Rat wollt, müsst Ihr mir erst alles erzählen!«
Und so erzählte Emma ihrer Zofe im Schutz der Nacht von ihren Sorgen und ihrer Liebe zu Logan.
»Ich liebe Logan Torrington, und genau das ist der Grund, warum ich ihn nicht heiraten möchte! Denn er liebt mich nicht!«
»Woher wollt Ihr das wissen?«, hakte Liz nach, der die Logik ihrer Herrin wirklich zu hoch war.
In ihrer Welt war man froh, wenn man den Mann, den man liebte, auch heiraten konnte - und Ende!
»Er hätte mich doch gleich heiraten können, nachdem er mich verführt hatte, aber das hat er nicht getan! Stattdessen ist er mit so einem Flittchen nach Frankreich verschwunden und hat mich mit Sicherheit schon längst vergessen. Und wenn er mich jetzt plötzlich heiraten will, weil ich sein Kind bekomme, dann tut er das doch nur aus Pflichtgefühl und nicht aus Liebe!«
»Aber vielleicht würde er sich ja nach und nach doch noch in Euch verlieben, wenn Ihr erst seine Frau wärt.«, schlug Liz hoffnungsvoll vor. Emma schüttelte heftig den Kopf.
»Nein, wir sind ja hier nicht in einem Liebesroman, in dem der Mann seiner Angebeteten erst auf der letzten Seite sagt, dass er sie schon immer geliebt hat!«
Liz kicherte.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr solche Bücher kennt!«
Emma wurde rot und verteidigte sich.
»Die sind zurzeit in London ganz groß in Mode!«
Vor ihnen waren nun die ersten Häuser des Dorfes zu sehen, und so verstummte ihre Unterhaltung. Die beiden konzentrierten sich wieder auf ihr weiteres Vorhaben. Liz deutete auf eine Hütte mit angebautem Stall.
»Hier wird man uns helfen. Gegen eine ordentliche Bezahlung bringt uns Jack hinten auf seinem Karren bis nach Stainton Hall. Das ist sehr viel ungefährlicher, als wenn wir beide uns alleine auf den Weg machen - und außerdem geht es schneller.«
Als Emma und Liz am nächsten Tag im Städtchen Stainton Hall ankamen und erleichtert von der Ladefläche des Rübenkarrens kletterten, brach bereits die Nacht herein. Jack hatte ihnen in der Nacht zuvor sein eigenes Bett überlassen und selbst die Nacht im Heu verbracht. Obwohl Liz mehrfach darauf bestanden hatte, sofort aufzubrechen, hatte Jack sich dazu nicht
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