Gefaehrliche Kaninchen
und nun macht der Junge doch einen kleinen Sprung vor Schreck.
»Wie viele seid ihr denn?«, will er wissen.
»Viele«, erwidert Lukas oder Lars. »Und nun schieb schon deinen Karren weg und dann versteck dich.«
Das lässt der Zeitungsjunge sich nicht zweimal sagen. Wie der Blitz beendet er seine Runde, Briefkästen klappern, er huscht hierhin und dorthin, dann stellt er seinen Wagen neben eins der Autos und kommt im geduckten Lauf zurück. Tatsächlich findet er den richtigen Busch und quetscht sich zu den Zwillingen in die Hecke.
»Ich bin Tobias«, flüstert er.
»Ich Lars. Und das ist Lukas«, kommt es zurück.
»Pscht«, machen Georg, Leonies Vater und Max’ Vater, sodass es sich so anhört, als würden drei Büsche gleichzeitig zischen.
Minuten vergehen. Vielleicht auch Stunden. Max tut sein Steißbein weh und sein linker Fuß ist eingeschlafen. Er verlagert vorsichtig sein Gewicht, und sofort fängt es in seinen Zehen an zu kribbeln, als würden tausend Ameisen darin herumlaufen.
Noch immer ist es ruhig in der Siedlung, auch wenn es schon hell ist. Die ersten Menschen scheinen wach zu sein, und aus dem Küchenfenster neben Max und seinem Vater kommt der Duft von Kaffee.
Max’ Vater schüttelt den Kopf. Max kann spüren, dass er immer nervöser wird, und er kann sich denken, warum: Nicht mehr lange, und die Straße würde von Menschen nur so wimmeln.
Das scheint auch Leonies Vater zu bemerken. Er macht ein Geräusch, das wahrscheinlich unauffällig an eine Eule erinnern soll, aber sehr auffällig ist in einer Gegend, wo es Eulen nur im Zoo gibt. Dann steht er auf, streckt sich und marschiert so selbstverständlich aus dem Busch und über die Straße, als sei es das Natürlichste von der Welt.
Die anderen tun es ihm nach. Falls einer der Nachbarn jetzt aus dem Fenster guckt, muss es für ihn so aussehen, als spuckten alle Büsche Menschen aus. Da niemand ruft und es auch sonst keine Aufregung gibt, haben sie jedoch Glück.
Die Indianer gehen rüber zu ihrem Haus und sammeln sich erschöpft im Wohnzimmer. Müde lassen sie sich dort fallen, wo sie gerade stehen. Die Enttäuschung über den Fehlschlag der Mission ist ihnen deutlich anzusehen.
»Alle da?«, fragt Leonies Vater und lässt den Blick über die müden Krieger schweifen. Ja, alle da, und nicht nur das: Sie sind sogar überzählig. »Und du bist also Tobias, der Zeitungsjunge.«
Tobias, der begeistert von einem zum anderen guckt, nickt.
Leonies Vater betrachtet ihn. »Und du musst schon arbeiten?«
»Ich gehe zur Schule«, antwortet Tobias, als müsse er sich verteidigen. »Austragen tue ich nur am Sonntag. Um mein Taschengeld aufzubessern.«
»Cool«, sagt Tristan.
»Ja«, nickt Georg, »so einen Job bräuchten wir auch.«
»Also, Tobias«, sagt Leonies Vater, »das muss dir jetzt ein wenig komisch vorgekommen sein, aber wir versuchen herauszufinden, wer unsere Zeitung stiehlt.«
»Das wissen wir doch.« Lukas setzt sich auf. »Ich hab wohl hundertmal erklärt …«
Leonies Vater unterbricht ihn. »Schon gut. Wir versuchen, den Täter auf frischer Tat zu ertappen, wollte ich sagen. Aber leider …« Plötzlich richtet auch er sich kerzengerade auf. »Was hast du gerade gesagt?«
»Wer, ich?« Zeitungsjunge Tobias wird unruhig. »Nichts. Nur dass ich sonntags Zeitungen austrage.«
»Am Sonntag!« Leonias Vater schlägt sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
»Ja und?« Max’ Vater und die anderen begreifen immer noch nicht.
»Heute ist Sonntag. Da kriegen wir nur die Sonntagszeitung. Und die ist kostenlos. Die kriegen alle.«
Nicht nur Max bleibt der Mund offen stehen.
»Und das heißt, der Zeitungsklauer braucht heute keine zu stehlen …«, beginnt Lukas und stöhnt.
»Weil er selbst eine Zeitung hat«, vollendet Lars.
9. Kapitel
Max schläft. Im Traum schleicht er durchs Unterholz, ein Messer zwischen den Zähnen. Es ist dunkel, doch er braucht nur dem Lichtschein zu folgen. Je näher er ihm kommt, desto gefährlicher wird es. Schließlich kriecht er vorwärts, bis an einen Abhang heran. Dort unten kann er sie beobachten, die feindlichen Krieger, die um ein großes Lagerfeuer herumtanzen. Etwas abseits sieht er die Gefangenen. Sein Vater ist dort, Leonies Vater, Tristan, die Zwillinge und sogar Georg, den man wegen seiner schwarzen Klamotten kaum erkennen kann. Wie soll er sie nur alle befreien? Da plötzlich, er hält den Atem an, hoppelt ein Kaninchen an ihm vorbei. Es bleibt stehen, lauscht, wobei sich die
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