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Gefaehrliche Liebe

Gefaehrliche Liebe

Titel: Gefaehrliche Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Collins
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Jahren angelegt. Seite für Seite sind darin Pflanzen in Tuschezeichnungen dargestellt, dazu die Beschreibung ihres medizinischen Nutzens. Mein Vater hat einen Teil über essbare Pflanzen hinzugefügt, mein Ratgeber, mit dem ich uns nach seinem Tod das Überleben gesichert habe. Ich wollte schon lange mein eigenes Wissen in dem Buch festhalten. Alles, was ich aus Erfahrung oder von Gale gelernt habe, und die Informationen, die ich beim Training für die Spiele aufgeschnappt habe. Ich habe es nicht getan, weil ich keine Künstlerin bin und die Bilder ganz genau gezeichnet sein müssen. Und an dieser Stelle kommt Peeta ins Spiel. Manche der Pflanzen kennt er schon, von anderen haben wir getrocknete Vorlagen, und wieder andere muss ich ihm beschreiben. Er fertigt Skizzen auf Schmierpapier an, bis ich zufrieden bin, dann darf er sie in das Buch übertragen. Anschließend schreibe ich sorgfältig alles auf, was ich über die jeweilige Pflanze weiß.
    Es ist eine stille Arbeit, die meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt und mich von den vielen Problemen ablenkt. Ich schaue gern seinen Händen zu, während er arbeitet, wie er eine weiße Seite mit ein paar Tuschestrichen zum Blühen bringt, wie er dem Buch, das bisher nur schwarz und gelblich war, Farbe verleiht. Wenn er sich konzentriert, nimmt sein Gesicht einen ganz bestimmten Ausdruck an. Sein sonst so gelassener Blick wird intensiv und fern, als wäre eine ganze Welt in ihm verborgen. Diesen Ausdruck habe ich schon öfter aufblitzen sehen: in der Arena oder wenn er zu einer Menschenmenge spricht oder als er in Distrikt 11 die Gewehre der Friedenswächter von mir wegschob. Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll. Und ich kann kaum den Blick von seinen Wimpern wenden, die normalerweise nicht so auffallen, weil sie ganz hell sind. Doch von Nahem, wenn das Sonnenlicht ins Zimmer fällt, sind sie hellgolden und so lang, dass ich mich frage, wieso sie sich nicht verheddern, wenn er blinzelt.
    Eines Nachmittags, als Peeta gerade eine Blüte schraffiert, schaut er so plötzlich auf, dass ich zusammenfahre, als hätte er mich dabei ertappt, wie ich ihn heimlich beobachte, was ich auf seltsame Weise vielleicht auch getan habe. Doch er sagt nur: »Ich glaube, das ist das erste Mal, dass wir etwas Normales zusammen machen.«
    »Ja«, sage ich. Unsere ganze Beziehung ist durch die Spiele verdorben worden. »Normal« kam darin nicht vor. »Auch mal schön.«
    Jeden Nachmittag trägt er mich nach unten, damit ich ein bisschen Abwechslung habe, und ich gehe allen damit auf die Nerven, dass ich den Fernseher einschalte. Normalerweise sehen wir nur fern, wenn es vorgeschrieben ist, weil die Mischung aus Propaganda und Darstellungen der Macht des Kapitols - zum Beispiel Ausschnitte von vierundsiebzig Jahren Hungerspielen - so abscheulich ist. Aber jetzt halte ich nach etwas Besonderem Ausschau. Nach dem Spotttölpel, auf den Bonnie und Twill all ihre Hoffnungen gründen. Mir ist klar, dass es wahrscheinlich idiotisch ist, aber dann möchte ich es auch widerlegen können. Und die Vorstellung von einem blühenden Distrikt 13 für immer aus meinen Gedanken verbannen.
    Den ersten Hinweis entdecke ich in einem Bericht über die Dunklen Tage. Man sieht die schwelenden Überreste des Justizgebäudes in Distrikt 13, und ich erhasche so eben noch die schwarz-weiße Unterseite vom Flügel eines Spotttölpels, der oben rechts durch das Bild fliegt. Das ist aber noch kein Beweis. Es ist nur eine alte Aufnahme, die zu einer alten Geschichte gehört.
    Ein paar Tage später jedoch fällt mir etwas anderes auf. Der Nachrichtensprecher liest eine Meldung über Grafitknappheit, welche sich auf die Produktion in Distrikt 3 auswirke. Es folgt ein Bericht, angeblich der Originalfilm einer Reporterin, die, in einen Schutzanzug gehüllt, vor den Ruinen des Justizgebäudes in Distrikt 13 steht. Durch ihre Maske hindurch berichtet sie, eine Untersuchung habe heute leider ergeben, dass die Minen in Distrikt 13 immer noch zu giftig seien, um sich ihnen zu nähern. Ende des Beitrags. Doch kurz vor dem Schnitt zurück zu dem Nachrichtensprecher sehe ich denselben Flügel desselben Spotttölpels aufblitzen, unverkennbar.
    Die Reporterin wurde einfach in das alte Bildmaterial hineinmontiert. Sie ist überhaupt nicht in Distrikt 13. Und das wirft die Frage auf:
Was ist dort?
     

12
    Von da an fällt es mir schwerer, ruhig im Bett liegen zu bleiben. Ich will etwas tun, will mehr über Distrikt 13

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